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Wie wird man zur rabbinischen Autorität aller Juden? Der Konstantinopolitaner Elijah Mizraḥi (um 1450–1526) und die sephardische Immigration
Antragstellerin
Dr. Susanne Härtel
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 516660398
Ziel des Projekts ist eine mikrohistorische Studie, die sich der Frage widmet, ob und wie man zur rabbinischen Autorität aller Juden in einem spezifischen historischen Kontext wird. Diese Frage ist mit Blick auf die Zeit um 1500 besonders relevant, als mit den Vertreibungen der jüdischen Bevölkerung, die ihren Höhepunkt mit den Ausweisungen von der Iberischen Halbinsel in den Jahren 1492–1498 erreichten, bisherige jüdische Siedlungsstrukturen gewaltsam aufgebrochen wurden. Tausende von Geflüchteten fanden Zuflucht in Regionen, in denen sie, wie im Osmanischen Reich, auf verschiedene einheimische jüdische Bevölkerungen und deren lokale Autoritäten trafen. Vor diesem Hintergrund wird in fünf Fallstudien das strategische Wirken des Konstantinopolitaners Elijah Mizraḥi (c. 1450–1526) in den intra-jüdischen Aushandlungsprozessen zwischen den Autoritäten der einheimischen Romaniot*innen und zugewanderten Sephard*innen analysiert. Wie in einer Momentaufnahme kristallisieren sich hier die partiell divergierenden Traditionen und Intentionen der entscheidenden Akteure im Judentum an der Wende zum 16. Jahrhundert. Im Zentrum des kultur- und sozialgeschichtlich ausgerichteten Projekts stehen dabei die rund 110 überlieferten Rechtsgutachten (Responsen) Mizraḥis. Ihre exemplarische Analyse zielt zum einen darauf, soziale Beziehungsnetze und Handlungszusammenhänge über die Person des Gelehrten zu erschließen. Dies ist zum anderen mit einer soziologischen Lesart der Responsen verbunden. In Abgrenzung von einem textimmanenten Verständnis der Schriften wird davon ausgegangen, dass extra-halachische Überlegungen die dokumentierten Entscheidungen maßgeblich beeinflussten. Die Fokussierung auf Mizraḥi als historischer Akteur und Rechtsgelehrter, der kontextspezifisch seine Entscheidungen trifft, wird es ermöglichen, seine Strategien zu rekonstruieren und Möglichkeiten und Grenzen seiner politischen Agenda angesichts einer heterogenen jüdischen Bevölkerung zu eruieren. Auf diese Weise trägt die Untersuchung wesentlich zu einem Verständnis des Funktionierens rabbinischer Autorität bei. Sie ermöglicht neue Einsichten in die Art und Weise, Umstände und Faktoren, wie verschiedene jüdische Gruppen an der Wende zur Neuzeit lokal (inter)agierten und sich mittelfristig in neuen Formen konstituierten. In Frage gestellt werden Forschungsannahmen einer scheinbar reibungslosen, Sephardisierung‘ der lokalen jüdischen Bevölkerungen des Osmanischen Reichs unter dem Einfluss der iberischen Immigrant*innen. Ziel ist ein grundlegend neues Verständnis intra-jüdischer beziehungsweise intra-religiöser Beziehungen und Dynamiken. Die Ergebnisse des Projekts werden in einer englischsprachigen Monographie publiziert. Ferner werden Teilergebnisse in Vorträgen präsentiert sowie im Rahmen eines von der Antragstellerin organisierten Workshops diskutiert.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen