Erarbeitung einer kritischen Ausgabe der Romana des Jordanes
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel meines Forschungsvorhabens war die Erarbeitung einer kritischen Ausgabe der Romana des Jordanes, welche die alte Edition von Mommsen (1882) ersetzen sollte. Aus der Kollationierung von sämtlichen Handschriften, die die Romana überliefern sowie von Romana-Auszügen, die von späteren Autoren stammen, gingen zwei sehr wichtige Ergebnisse hervor: (1) Die uns heute zur Verfügung stehenden Quellen für die Konstitution des Romana-Textes sind dieselben, die Mommsen vor 130 Jahren verwendet hatte und der von ihm dargelegte Stammbaum erweist sich immer noch als der Überzeugendste. Die Handschriften, denen Mommsen besondere Bedeutung beimaß, nämlich die Ältesten der ersten Familie (H, P, V und, in geringerem Maße, L) sowie die – nur Auszüge aus den Romana enthaltende – Epitome Phillipsiana (zweite Familie) stellen deshalb nach wie vor die Grundlage für die Wiedergabe der Romana dar. (2) Die jüngeren Manuskripte der ersten und zweiten Familie fügen vielerlei Änderungen in den Text ein, wobei in der Regel sprachlich abweichende Formen verbessert werden. In den meisten Fällen habe ich deshalb die in ihnen enthaltenen Varianten zwar berücksichtigt aber nicht aufgenommen. Durch die paläographische Analyse der Romana-Paragraphen, die im Wortlaut aus Florus’ Epitome de Tito Livio ausgeschrieben worden sind, habe ich festgestellt, welche Schreiber zu welcher graphischen Abweichung eine stärkere Neigung aufweisen. Dadurch konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden: (1) Im phonetisch-orthographischen Bereich weisen die besten Handschriften der ersten Familie mehrere Abweichungen vom Florus-Text auf. Dies zeigen beispielsweise die vielen Fälle von falscher Wiedergabe eines Diphthongs, von Verwechselung o/u, e/i, u/b und von Auslassung des anlautenden h-. Verallgemeinernd lässt sich annehmen, dass auch in den übrigen (von Florus also nicht abhängigen) Werkteilen die Textzeugen H, P, V und seltener L den Archetyp der Romana durch diese Art von Verschreibungen geändert haben. Viele der von Mommsen gedrückten Anomalien habe ich also aussortiert und durch „klassischere“ (oft von neueren Codices tradierten) Varianten ersetzt. (2) Im morphosyntaktischen Bereich haben die Handschriften H, P, V, L das Florus-Fragment sehr treu wiedergeben und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Kopisten in den übrigen zwei Dritteln der Romana anders verfahren sind. Die sprachlich abweichenden (im Sinne von nicht klassischen) Formen, welche Mommsen weitgehend annimmt, sind also im Regelfall beizubehalten. Dieses Ergebnis stellt die Kriterien, auf welchen Giunta und Grillone ihre neuere Getica-Ausgabe (1991) basieren, ernsthaft in Frage, da diese Forscher in den Fällen, in denen „ungrammatische“ Lesarten überliefert werden, den Fehler meistens den Kopisten (namentlich dem Archetyp der ersten Handschriftenfamilie) zuschreiben und durch alternative, grammatisch „passende“ Varianten ersetzen. Die neue Edition der Romana soll demnächst abgeschlossen und veröffentlicht werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2010) ‘Late sparsa collegimus: The influence of sources on the language of Jordanes’, in E. Dickey, A. Chahoud (Hrsg.), Colloquial and Literary Latin, Cambridge University Press, S. 357-375
Galdi, Giovanbattista
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(2012),Considerazioni paleografiche e linguistiche sulle opere di Jordanes’, in Latin Vulgaire - Latin Tardif 10, Bergamo, 6-9 September 2012
Galdi, Giovanbattista