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Energie: Schlüsselkonzept der sowjetischen Avantgarde
Antragstellerin
Professorin Dr. Susanne Strätling
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 507821188
Während in der Forschung mittlerweileKonsens besteht, dass Energie ein „Schlüsselbegriff des 21. Jahrhunderts“ (Gronau 2012:7) ist, mit dem neben politökonomischen und ökologischen Herausforderungen auch kulturelle und künstlerische Entwicklungen adressiert werden, bleibt bisher weitgehend im Dunklen, wie sich die Polyfunktionalität des Energiebegriffs herausgebildet hat. An diesem Desiderat setzt das Projekt an. Es erforscht die Transferbewegungen des Energiebegriffs zwischen Wissenschaften und Künsten an einem historischen Punkt hochverdichteter transdiskursiver Auseinandersetzung mit Energiekonzepten. In der sowjetischen Avantgarde schaffen politische und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen eine signifikant erhöhte Virulenz energetischer Fragestellungen. Der unmittelbar nach der Oktoberrevolution in Angriff genommene Elektrifizierungsplan Russlands (GOĖLRO) löst nicht nur einen Schub in Energietechnik und Kraftwerkbau aus, er erfährt auch in Wissenschaften und Künsten starke Resonanz. Hinzu tritt ein wissensgeschichtlicher Umbruch: Vorbereitet durch die Sensibilisierung für energetische Problematiken im thermodynamischen 19. Jahrhundert kommt es durch den sog. energetischen Monismus seit 1900 zu einer breiten Popularisierung energetischer Debatten. Im hochdynamischen Milieu der Avantgarde macht der Energiebegriff innerhalb kürzester Zeit eine steile Karriere, die ihn aus technischen und naturwissenschaftlichen Wissensfeldern weit in die Geistes- und Sozialwissenschaften hineinkatapultiert. Das Projekt lotet diesen Resonanzraum mit Fokus auf zwei zentrale diskursive Schnittstellen aus: zum einen die Migration des Energiebegriffs zwischen Arbeitswissenschaften, Organisationswissenschaften und ästhetischen Theorien von Raum und Bild, zum anderen die Rolle energetischer Affektkonzepte als Scharnier zwischen Neurophysiologie, Psychologie und Poetik. Systematisch stehen dabei drei Hypothesen und Fragen im Mittelpunkt: 1. Die Karriere der Energie als Kollektivsymbol des 20. Jahrhunderts speist sich maßgeblich aus der Avantgarde. Welches Wissen über Energie zirkuliert hier zwischen den Disziplinen? 2. Die Künste der Avantgarde sind ihrerseits zu Reflexionsmedien energetischer Konzepte. Welche Poetiken und Ästhetiken der Energie bilden sich hier aus? 3. Der diskursiven Flexibilität des Energiebegriffs in der Avantgarde entspricht ein hohes Maß an semantischer Offenheit. Wie adressiert das poetische, wissenschaftliche und populäre Sprechen über Energie die hier auftretenden Bestimmungsunsicherheiten?
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen