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Aspektzyklen und innerslavische Variation
Antragsteller
Dr. Petr Biskup; Professor Dr. Olav Mueller-Reichau
Fachliche Zuordnung
Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 498343796
Das Projekt erforscht innerslavische Variationen der morphosyntaktischen Derivation von Aspektformen. An der Aspektkodierung beteiligt sind iterative Suffixe, Präfixe, sekundäre Imperfektivsuffixe und semelfaktive Suffixe. Untersucht wird, wo diese Morpheme in der Derivation lokalisiert sind, was ihr struktureller Status ist, wie sie linearisiert werden, welche Bedeutungen sie kodieren und wie sich slavische Sprachen dbzgl. unterscheiden. Hinzu kommt die Frage, wie die Aspektmarker interagieren. Das Projekt widmet sich somit der für die slavische Verbgrammatik konstitutiven Frage nach den verbalen Derivationsgeschichten (Karcevskij 1927, Isačenko 1962), d.h. der Beziehung zwischen perfektiven und imperfektiven Prädikaten aus der Sicht der synchronen Wortbildung. Untersucht werden Russisch, Polnisch und Tschechisch. Unsere Arbeitshypothese ist, dass slavische Sprachen beim Verbaufbau zwei Zyklen nutzen. Der interne (tiefere) Aspektzyklus legt den Ereignistyp fest und endet mit der Aspektphrase, in der die Aspektzuweisung erfolgt. Das sekundäre Imperfektivmorphem realisiert mutmaßlich den Aspektkopf und signalisiert das Ende des ersten Zyklus. Der externe Zyklus - strukturell oberhalb der Aspektphrase - beherbergt Affixe, die das im ersten Zyklus gebildete Ereignis quantifizieren und/oder temporal modifizieren. Davon ausgehend wird das Projekt inter- und intrasprachliche Variationen hinsichtlich der morphosyntaktischen, semantischen und phonologischen Realisierung der Aspektphrase und des sekundären Imperfektivsuffixes in den Blick nehmen. Bestimmt werden soll u.a., wie verschiedene Verortungen der Aspektmarker ober- bzw. unterhalb der Grenze zwischen den zwei Zyklen die Biaspektualität komplexer Verben sowie die taxische Gleichzeitigkeit koordinierter perfektivierter Präfixverben bedingen. Zudem werden intersprachliche Unterschiede im aspektuellen Gehalt weniger komplexer Ausdrücke wie Partizipien und Nominalisierungen untersucht. Das Projekt adressiert zwei für die slavische Aspektologie zentrale Fragen: 1. Wie genau wird (Im)perfektivität am Verb kodiert? 2. Wie genau ändert sich der Aspektwert im Prozess der Verbbildung, d.h. in der Derivationsgeschichte? Da das Projekt verbale Derivationsgeschichten mit Blick auf alle linguistischen Hauptbeschreibungsebenen – Morphosyntax, Semantik und Phonologie – analysiert und eine vollständige morphematische Analyse im Rahmen einer elaborierten Theorie anstrebt, wird es in jüngerer Zeit beobachtete Diskrepanzen zwischen der Strukturposition eines Markers und der Stelle, an der sein Gehalt in den Bedeutungsaufbau eingeht, neu beleuchten. Nicht zuletzt ergeben sich aus den erzielten Ergebnissen zu Verortung und Reihung der Aspektmarker in der Derivation wichtige Implikationen für die Sprachtypologie. So würde Cinques (1999) universalistische Theorie der Satzstruktur in Frage gestellt, wenn sich die Hypothese partiell verschiedener Reihungen von Präfixen in den drei slavischen Sprachen bewahrheitet.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen