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Intervallmethoden zur garantierten Zustandsschätzung und zum Entwurf robuster und optimaler Steuerungen und Regelungen für unsichere Systeme

Fachliche Zuordnung Automatisierungstechnik, Mechatronik, Regelungssysteme, Intelligente Technische Systeme, Robotik
Förderung Förderung von 2007 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 46875423
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens konnten erste Schritte zu einer Kombination der bisher eigenständigen Arbeitsrichtungen 1. effiziente Implementierung von Algorithmen zur dynamischen Optimierung, 2. garantierter Robustheitsnachweis für Steuerungen und Regelungen bei endlich-dimensionalen dynamischen Systemen mit Parameterunsicherheiten sowie 3. gesicherte Schätzung nicht direkt messtechnisch erfassbarer Größen in technischen Systemen erreicht werden. Das verbindende Element dieser Punkte ist der Einsatz von Intervallmethoden, welche bei Systemen mit Wertebereichsbeschränkungen der Systemparameter die Berechnung garantierter Unter- und Obergrenzen aller Zustände ermöglichen. Durch die Verwendung von Intervallmethoden ist es möglich, für mathematische Rechenoperationen die Lösung durch Intervalle derart einzuschließen, dass die Menge aller Resultate garantiert im Berechnungsergebnis eingeschlossen wird. Hierdurch wird einerseits der Einfluss von Rundungsfehlern, die sich durch eine Darstellung von Gleitkommazahlen mit endlicher Auflösung ergeben, quantifizierbar. Andererseits stellen intervallarithmetische Rechenoperationen auch die Möglichkeit dar, Unsicherheiten in Systemparametern sowie in den Anfangsbedingungen eines dynamischen Prozesses auf natürliche Weise in Form von Intervallen zu beschreiben und bei der Auswertung des mathematischen Systemmodells für die Optimierung von Steuerungs- und Regelungsstrategien, bei der Simulation von dynamischen Systemmodellen, bei der Zustands- und Parameterschätzung sowie bei einer Sensitivitätsanalyse zur berücksichtigen. Ein grundlegender Nachteil von verifizierten Ansätzen, welche auf die Verwendung von Intervallmethoden zurückgreifen, ist, dass eine sogenannte Überschätzung der Wertebereiche zu konservativen Lösungseinschlüssen führen kann. Im Extremfall lassen sich diese Wertebereiche für praktische Anwendungen nicht mehr zielgerichtet nutzen. Daher liegt das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung effizienter Strategien für die verifizierte Auswertung von statischen sowie dynamischen Systembeschreibungen unter Berücksichtigung von Intervallmethoden auf einer Reduzierung dieser Überschätzung. Die hierzu bestehenden Methoden sind jedoch teilweise sehr rechenintensiv. Daher wurden in diesem Forschungsvorhaben zum Einen Parameterschätzverfahren implementiert, die durch Kenntnis von Messgrößen eine Reduktion der Überschätzung zulassen. Zum Anderen wurden auch Maßnahmen zu einer gesicherten Analyse der Sensitivität der Lösungsverläufe für dynamische Systemmodelle (in iesem Forschungsvorhaben für Anfangswertprobleme bei Systemen mit gewöhnlichen Differentialgleichungen) implementiert. Hiermit wird eine Möglichkeit zur Verfügung gestellt, diejenigen Systemparameter zu identifizieren, die den größten Einfluss auf die Lösung haben, und die bei Routinen zur Reduktion von Überschätzung vorrangig zu betrachten sind. Überschätzung bei der Auswertung statischer und dynamischer Systemmodelle lässt sich in vielen Fällen dadurch reduzieren, dass die Wertebereiche unsicherer Parameter in Teilintervalle unterteilt werden. Im Anschluss daran werden die benötigten Rechenoperationen für jedes der Teilintervalle separat ausgeführt. Da nun für jedes Teilintervall dieselben mathematischen Operationen ausgeführt werden müssen, sind derartige Ansätze für eine Parallelisierung prädestiniert. Zur Parallelisierung wurde im Rahmen dieses Forschungsvorhabens die Distributed Computing Toolbox aus Matlab genutzt, die es ermöglicht, einzelne Funktionen in paralleler Form auf unterschiedlichen Rechnern auszuführen. Diese Rechner sind über ein herkömmliches Netzwerk (ethernet) verbunden. Dabei ist zu beachten, dass die jeweiligen Rechenzeiten zwischen der Übertragung der Simulationso und Optimierungsresultate deulich größer als die Kommunikationszeiten sein sollten, um einen erheblichen Geschwindigkeitsvorteil zu erlangen. Dies war bei allen im Rahmen dieses Projekts betrachteten Aufgabenstellungen gegeben. Die umgesetzte Parallelisierung erlaubt zumindest einen zur Anzahl verwendeter Rechner proportionalen Rechenzeitgewinn. Insbesondere bei der Lösung von dynamischen Optimierungsproblemen mit unsicheren Parametern konnte jedoch für einige Anwendungsszenarien gezeigt werden, dass die umgesetzte Parallelisierung einen überproportionalen Rechenzeitgewinn durch einen - im Vergleich zur Einprozessorlösung - frühzeitigeren Ausschluss garantiert nicht zulässiger oder garantiert nicht optimaler Lösungskandidaten erreicht werden kann. Auf der einen Seite konnte durch Ansätze zur Parallelisierung eine erhebliche Effizienzsteigerung und Rechenzeitreduktion erreicht werden. Auf der anderen Seite ist es auch gelungen, die entwickelten intervallarithmetischen Verfahren für einen gesicherten Nachweis der Einsetzbarkeit von Steuerungen und Regelungen zu nutzen. Hieru bei erfolgt auf Basis mathematischer Modelle ein verifizierter Nachweis, dass vorab definierte Kriterien für die Robustheit, Funktionalität und Sicherheit eines Systems auch durch Variationen der Systemparameter innerhalb vorgegebener Grenzen nicht verletzt werden. Die genannten Kriterien stellen sowohl Beschränkungen an die zulässigen Zustandsbereiche als auch an die realisierbaren Stellgrößen dar. Die dazu berücksichtigten Unsicherheiten treten in nahezu allen realen Systemen aufgrund von • unvermeidbaren Fertigungstoleranzen, • nicht vernachlässigbaren Modellierungsfehlern, • einer beschränkten Messgenauigkeit und daraus resultierenden Parameterunsicherheiten sowie • Modellvereinfachungen für die Ermittlung von Steuerungen, Regelungen und Beobachtern auf. Diese Modellvereinfachungen korrespondieren mit den im vorliegenden Forschungsvorhaben untersuchten und weiterentwickelten Verfahren zur Approximation komplexer dynamischer Systeme (Carleman-Linearisierung). Um einen möglichst breiten Anwendungsbereich abdecken zu können, standen neben den üblicherweise bei einer verifizierten Auswertung dynamischer Systeme betrachteten Differentialgleichungssystemen mit stetig differenzierbaren Modellgleichungen (im Allgemeinen als Systeme expliziter gewöhnlicher Differentialgleichungen) auch dynamische Modelle im Mittelpunkt der Betrachtung, die durch differential-algebraische Gleichungssysteme oder durch gewöhnliche Differentialgleichungen mit nicht stetigen oder nicht stetig differenzierbaren rechten Seiten charakterisiert sind. Für die beiden letzten Fälle wurden leistungsfähige neuartige Intervallmethoden entwickelt, die für eine verifizierte Simulation (Berechnung der Menge aller erreichbaren Zustände), für eine Zustands- und Parameterschätzung sowie für eine dynamische Optimierung herangezogen werden können. Da viele Systeme in der Elektrotechnik (insbesondere in der Antriebs-, Steuerungs- und Regelungstechnik) sowie im Maschinenbau, in der Robotik und Biomechanik (insbesondere mechanische Mehrk¨rpersysteme) durch Reibung und Hysterese charakterisiert sind, ergibt sich für die bislang im Rahmen dieses Forschungsvorhabens entwickelten grundlegenden Ansätze ein breites Spektrum weiterer wissenschaftlicher Arbeiten sowie möglicher Anwendungen in der Forschung, Entwicklung und in der industriellen Ingenieurpraxis. Die entsprechenden mathematischen Modelle für alle oben genannten Anwendungsfelder sind durch nichtlineare gewöhnliche Differentialgleichungen (bzw. differential-algebraische Gleichungssysteme) gegeben, welche im Allgemeinen aus einer Kombination von unstetigen und/oder nicht stetig differenzierbaren Funktionen bestehen. Die im Rahmen dieses Forschungsvorhabens entwickelten Methoden beziehen sich, wie nachfolgend im Arbeitsund Ergebnisbericht genauer dargestellt ist, teilweise auf spezifische Systemtopologien. Obwohl diese Topologien bereits eine Vielzahl realer Anwendungen abdecken, stehen bislang noch keine universell einsetzbaren, numerischen Simulations- und Entwurfswekrzeuge für diese Systemklasse zur Verfügung. Daher ist die Erweiterung des Anwendungsspektrums das Ziel von Folgearbeiten. Hierzu kommt die Validierung der theroretischen Forschungsergebnisse an prototypischen Laboraufbauten, was ebenfalls vorgesehen ist. Hierdurch soll die erhöhte Leistungsfähigkeit der neu entwickelten Verfahren gegenüber klassischen numerischen Ansätzen aufgezeigt werden. Diese klassischen nicht intervallbasierten Verfahren erlauben es nicht, Unsicherheiten durch gesicherte Wertebereichsgrenzen unmittelbar während der System- und Reglerauslegung zu berücksichtigen. Eine Weiterbearbeitung dieses Forschungsvorhabens verspricht aus aktueller Sicht eine Entwicklung universeller Simulations- und Entwurfsmethodiken für die Auslegung von Steuerungen und Regelungen technischer sowie (bio-)mechanischer Problemstellungen mit großen Toleranzen in Parametern und Anfangsbedingungen und ihre Implementierung in Form eines Software-Werkzeugs, das für eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen in den Ingenieurwissenschaften und in der angewandten Mathematik einsetzbar ist. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass auf Basis des neu vorhandenen Wissens in Folgearbeiten Verifikationsansätze für einen gesicherten Nachweis der Stabilität komplexer Systeme mit Unsicherheiten abgeleitet werden können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Carleman Linearization for Control and for State and Disturbance Estimation of Nonlinear Dynamical Processes, CD-Proc. of IEEE Intl. Conference on Methods and Models in Automation and Robotics MMAR 2009, Miedzyzdroje, Poland, 2009
    Rauh, Andreas; Minisini, Johanna; Aschemann, Harald
  • Interval Methods for Optimal Control. In A. Frediani, G. Buttazzo (editors): Proc. of the 47th Workshop on Variational Analysis and Aerospace Engineering , Erice, Italy, 2007. pp. 397–418, Springer–Verlag, New York, 2009
    Rauh, Andreas; Hofer, Eberhard P.
  • Towards the Development of an Interval Arithmetic Environment for Validated Computer-Aided Design and Verification of Systems in Control Engineering , Proc. of Dagstuhl Seminar 08021: Numerical Validation in Current Hardware Architectures, Vol. 5492 of Lecture Notes in Computer Science, Springer-Verlag, Dagstuhl, Germany, pp. 175-188, 2009
    Rauh, Andreas; Minisini, Johanna; Hofer, Eberhard P.
  • Verified Methods: Applications in Medicine and Engineering , Special Issue of the International Journal of Applied Mathematics and Computer Science AMCS, Vol. 19, No. 3, 200
    Rauh, Andreas; Auer, Ekaterina; Hofer, Eberhard P.; Luther, Wolfram
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.2478/v10006-009-0037-z)
 
 

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