Steuerung und Mechanismen der Plazentaablösung beim Rind
Final Report Abstract
Beim Rind wird der präpartale Abfall der maternalen Progesteron (P4)-Konzentration als wesentliche Voraussetzung für den Eintritt einer physiologischen Geburt angesehen. Präpartale maternale P4-Profile spiegeln beim Rind jedoch primär den Funktionsverlust des Trächtigkeitsgelbkörpers wider. Über Dynamik und Bedeutung des Sistierens der plazentaren P4-Produktion lagen beim Rind bisher praktisch keine Informationen vor, da die Rinderplazenta in der Endphase der Gravidität kaum noch zu den maternalen P4-Spiegeln beiträgt. Vereinzelte Daten aus der Literatur sowie eigene frühere Ergebnisse ließen jedoch erkennen, dass die Plazenta auch in der Spätgravidität trotz ihres minimalen Beitrags zu den maternalen P4-Spiegeln in der Lage ist, im unmittelbaren Bereich der feto-maternalen Kontaktzone hohe P4-Konzentrationen zu erzeugen. Diese könnten über Interaktionen mit den in den Karunkeln (maternaler Anteil der Plazentome) nachgewiesenen P4-Rezeptoren ein wesentlicher Faktor für die Etablierung und die Aufrechterhaltung von Differenzierung und Funktionen der Plazentome sein. Daher wurde die Arbeitshypothese entwickelt, dass der Entzug hoher lokaler P4-Konzentrationen vorwiegend plazentaren Ursprungs, welcher unter physiologischen Bedingungen der präpartalen Luteolyse wahrscheinlich unmittelbar vorausgeht, ein wesentliches, übergeordnetes Signal für die Vorbereitung des termingerechten Nachgeburtsabganges darstellt. Hierbei wurden als Effektormechanismen Umbauvorgänge an der feto-maternalen Grenzfläche, Umstrukturierungen der extrazellulären Matrix (ECM), eine veränderte Expression von Adhäsionsmolekülen sowie immunologische Vorgänge (Abstoßung des „Allotransplantates Trophoblast“) vermutet. Entsprechend diesem Konzept könnte ein unvollständiges oder verzögertes Sistieren der plazentaren P4-Produktion vor der Geburt eine wesentliche Ursache für das Auftreten idiopathischer Nachgeburtsverhaltungen sein, die v.a. bei Milchrindern hohe ökonomische Verluste verursachen. Als experimenteller Ansatz zur Überprüfung dieser Hypothesen wurde die Verabreichung des Antigestagens Aglepriston (Gruppe AG, n=3) an gravide Rinder an den Tagen 270 und 271 post insem. (ca. 10 Tage vor dem erwarteten Geburtstermin) gewählt, welcher die Ausschaltung rezeptorvermittelter P4-Wirkungen unabhängig von der/n P4-Quelle/n ermöglicht. Als Kontrollen dienten Tiere mit termingerechter spontaner Geburt und termingerechtem Nachgeburtsabgang (Gruppe NG, n=4; Trächtigkeitsdauer: 280.5±1.3 Tage) sowie unbehandelte Tiere mit Schnittenentbindung am Tag 272 (Gruppe D272, n=3; Charakterisierung der Situation in der unmittelbaren präpartalen Phase). Weiterhin war zu erwarten, dass durch Vergleiche mit parallel durchgeführten anderen Verfahren der Geburtsinduktionen (Luteolyse durch Verabreichung des Prostaglandin F2α-Analogons Cloprostenol, Verabreichung des Glukokortikoids Dexamethason zur Imitierung des fetalen präpartalen Cortisolanstiegs; Gruppen PG bzw. GC, n=4) neue Informationen zur Bedeutung des plazentaren P4 sowie zur Signalkaskade der Geburtsinitiierung beim Rind erhalten werden können. Die Hypothese, nach der ein unvollständiger oder verzögerter Entzug des plazentaren P4 ein wichtiger Faktor in der Ätiologie der Nachgeburtsverhaltung darstellt, hat sich im Tierexperiment eindeutig als falsch erwiesenen. Durch die AG-Behandlung an den Tagen 270 und 271 konnte zwar innerhalb von 46.5±7.3 Stunden bei allen Tieren eine vollständige Öffnung der Zervix induziert werden, welche einen Auszug des Kalbes ermöglichte. Ein Abgang größerer Plazentateile war jedoch in allen Fällen erst zehn Tage später zu beobachten und beruhte offensichtlich eher auf autolytischen Prozessen als auf echten Lösungsvorgängen. Die im Zusammenhang mit einer Spontangeburt und termingerechtem Nachgeburtsabgang zu beobachtenden präpartalen Veränderungen in der Plazentomarchitektur, im Wesentlichen charakterisiert durch eine erhebliche Reduktion des Karunkelepithels sowie ein weitgehendes Verschwinden der Trophoblastriesenzellen, waren bei den AG-behandelten Tieren nicht zu erkennen. Unbeschadet der Tatsache, dass sich die Hypothese zur Ätiologie der Nachgeburtsverhaltung beim Rind eindeutig als falsch erwies, erbrachten die durchgeführten Untersuchungen in erheblichem Umfang neue Erkenntnisse zur komplexen Signalkaskade der Geburtsinduktion und zur Kontrolle des Nachgeburtsabganges beim Rind sowie eine erhebliche Anzahl interessanter Beobachtungen, die konkrete Ansatzpunkte für weiterführende Untersuchungen bieten. So ergaben sich beispielsweise erstmals auf molekularer Ebene deutliche Hinweise darauf, dass der präpartale fetale Cortisolanstieg in den einkernigen Trophoblastzellen (UTC) die Synthese luteolytischer Prostaglandine stimuliert, deren Wirkung auf den Trächtigkeitsgelbkörper durch den resultierenden P4-Abfall weiter verstärkt wird. Bezüglich der Plazentamorphologie und der ECM im Bereich der feto-maternalen Kontaktzone wurden wie im Falle der AG-Applikation auch durch die Geburtsinduktion mit PG und GC, die ebenfalls mit einer hohen Häufigkeit von Nachgeburtsverhaltung einhergehen, keine signifikanten Veränderungen induziert. Bei den Tieren der NG-Gruppe wurden diese Veränderungen jedoch in ausgeprägter Form bestätigt. Dies ist im Einklang mit früheren klinischen Beobachtungen, nach denen beim Rind die Fähigkeit des Fetus zur Adaptation an die extrauterine Umwelt und die „Plazentareifung“ nicht streng aneinander gekoppelt sind. Die Tatsache, dass MMP-14, deren Expression erstmals in der Rinderplazenta charakterisiert wurde, in UTC von Tieren der Gruppe NG, nicht jedoch in UTC von AP-, PG- und GC-Tieren exprimiert wurde, deutet darauf hin, dass dieses Enzym eine wesentliche Rolle in den peripartalen Lösungsvorgängen der Rinderplazenta spielen könnte.
Publications
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Progesterone is not a major factor in the control of placental release in cattle. 52. Symposion der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, 4. - 7. März 2009 in Gießen
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