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Die Krise als Katalysator: Covid-19, soziales Bürgerrecht und politische Transformation in Indien

Antragsteller Professor Dr. Ravi Ahuja
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2021 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 468174947
 
Die Verbreitung des Covid-19-Virus in Indien und der nationale „Lockdown“ zu seiner Eindämmung lösten eine weitreichende wirtschaftliche und soziale Krise aus, die durch die Heterogenität der Wohlfahrtsinstitutionen des Landes verschärft wurde, welche die sozialen Leistungsansprüche großer Bevölkerungsteile beschränkt. Das Projekt untersucht die Covid-19-Pandemie als eine Krise sozialen Bürgerrechts, die sich auf drei Ebenen ausdrückt: 1. setzte sie Indiens soziale Umverteilungsinfrastruktur unter erhebliche Spannung, 2. übte sie Druck auf etablierte Formen politischer Steuerung aus und schuf neue Konflikte um soziale Leistungsansprüche, 3. provozierte sie widersprüchliche Diskurse und Wahrnehmungen von „sozialem Bürgerrecht“. Die anhaltende Krise wird als sich entfaltendes historisches Ereignis analysiert: als Moment gesellschaftlicher Beschleunigung, der abrupt soziale und politische Spannungen erzeugt, zugleich auch Anstrengungen zur Eindämmung dieser Spannungen hervorbringt und damit neue Potenziale für Anfechtungen wie auch für Konsolidierung schafft. Durch Anwendung historischer Forschungsmethoden auf die Gegenwart erzeugt das Projekt eine „analytische Chronik“ der Krise von den ersten Wochen des Jahres 2020, als die ersten Covid-19-Fälle bekannt wurden, bis zum Sommer 2021, ein halbes Jahr nach Beginn der Impfkampagne. Diese analytische Chronik wird die politischen und sozialen Wandlungen der Krise auf drei räumlichen Skalen nachvollziehen: a) wird die Entwicklung, Implementierung und Anfechtung indischer Sozialpolitik während der Pandemie auf der nationalen Ebene untersucht. b) wird differenziert zwischen divergierenden regionalen Krisenverläufen durch Studien zu Maharashtra (einer stark urbanisierten und industrialisierten Region mit starker Einwanderung aus anderen Bundesstaaten) und Bihar (einer überwiegend agrarischen Auswanderungsregion). c) ermöglicht eine Teststudie zum Bhojpur-Distrikt in Bihar die Untersuchung von Pandemieerfahrungen und der Aushandlung sozialer Leistungsansprüche auf der örtlichen Ebene. Die analytische Chronik ist auf jeder „Raumskala“ auf Auswertung veröffentlichter wie digitaler Quellen und im Bhojpur-Distrikt zusätzlich durch Interviews gestützt. Indem die ersten achtzehn Monate der Covid-19-Krise im Verlauf ihrer Entwicklung dokumentiert werden, zielt das Projekt darauf ab, die Dynamik sozialer Wahrnehmungen, Verhaltensweisen und der gegenläufigen Entwicklungspotenziale während der Krise zu erfassen. Besonders die mündlichen Erfahrungsberichte müssen zeitnah aufgezeichnet werden, bevor Krisenerinnerungen und -eindrücke verblassen oder durch nachfolgende Entwicklungen umgeformt werden. Die im Projekt erstellte analytische Chronik kann zudem als Grundlage für eine tiefere historische Untersuchung der ungleichmäßigen und stets angefochtenen Strukturen „sozialen Bürgerrechts“ im postkolonialen Indien dienen – eben jener Prozesse, die während der Krise erhöhte Sichtbarkeit erlangen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Indien
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner Lokesh; Professor Dr. Sumeet Mhaskar; Sebastian Schwecke, Ph.D.; Dr. Aardra Surendran
 
 

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