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Körperbeherrschung. Konfessionalisierte Ehegerichtsbarkeit in den Hohenloher Territorien zwischen (bevölkerungs-)politischem Verfahren und persönlichem Konflikt, 1648–1806

Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 457436169
 
Das Projekt verbindet die geschlechter- und körpergeschichtliche Dimension mit dem praxeologischen Ansatz der neueren Verwaltungs- und Landesgeschichte. Es wird die Bedeutung der relationalen Kategorie Geschlecht für die Konstituierung und Stabilisierung von Herrschaft und Staatlichkeit im Sinne der Foucaultschen Gouvernementalität und Biopolitik überprüft – hier der Einfluss von Geschlechter- und Körpernormen sowie entsprechende Selbst- und Fremdzuschreibungen auf frühneuzeitliche konfessionalisierte Staatsbildungsprozesse. Anhand der bislang noch nie untersuchten Ehegerichtsverfahren vor den hohenlohischen Konsistorien der verschiedenen Linien (1648 bis zur Mediatisierung 1806) sollen die konkreten Wege und Formen der Stabilisierung frühmoderner Staatlichkeit und die Durchdringung aller Lebensbereiche, bis auf die Ebene des Körpers des Individuums, am Beispiel eines für das Alte Reich typischen Herrschaftsraums mit territorialer Kleinkammerung und konfessioneller Heterogenität untersucht werden. Das Fehlen einer intermediären Schicht wie Niederadel oder Landstände ermöglicht die Analyse des direkten Eingreifens der Herrscher und ihrer Räte in das (Familien-)Leben der Untertanen. Dabei war die konfessionelle Zusammensetzung der katholischen wie der protestantischen Konsistorien der diversen hohenlohischen Linien ebenso heterogen wie ihre jeweilige Bevölkerung. Konkret sollen die auf Ehe-, Sexualität und Fortpflanzung bezogenen Verfahren einerseits auf ihre bevölkerungspolitische Bedeutung hin untersucht werden, andererseits der Charakter und die Rolle von Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern sowie generellen Ehevorstellungen für die verschiedenen Verfahrensbeteiligten herausgearbeitet werden. Genau an dieser Schnittstelle von emotionalisierten und strategischen Konflikten um das Auflösen bzw. Eingehen einer Ehe, lässt sich die Gemengelage administrativer Verfahren, herrschaftlicher Interessen und formal nicht-staatlicher Instanzen wie Familie, Nachbarschaft, Arbeitsumfeld und Gemeinde nachverfolgen und beschreiben. Hierbei wird zwischen der Ordnungsfunktion von Sexualitätspolitik in Form von bevölkerungspolitisch motivierten Ehebeschränkungen bzw. Ehebeförderung auf der einen und der theologisch motivierten Unzuchtsbekämpfung auf der anderen Seite zu unterscheiden sein. Aus dieser Perspektive werden die ehegerichtlichen Verfahren als staatliche Institution für die Stabilität und die Peuplierungspolitik der territorialen Herrschaft beschrieben und eingeordnet. Besonderes Augenmerk kommt dabei 1. den vielfältigen, teilweise konkurrierenden Normen und Verwaltungspraktiken, u.a. der Einholung externer Berichte und Gutachten durch Mediziner, Juristen und Theologen zu. 2. stehen die Beamten und Pfarrer im Fokus, fungierten diese doch als Scharnier zwischen Untertanen und Herrschern. Und 3. gilt es, den Einfluss der konfessionell konkurrierenden Interessen der verschiedenen hohenlohischen Linien dabei mit zu berücksichtigen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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