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Petrus Berchorius und der antike Mythos im 14. Jahrhundert
Antragsteller
Professor Dr. Dieter Blume
Fachliche Zuordnung
Kunstgeschichte
Förderung
Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 455968118
Die geplante Publikation untersucht die Auseinandersetzung mit dem antiken Mythos im 14. Jahrhundert und erarbeitet für das Verständnis dieses so folgenreichen Phänomens eine vollkommen neue Basis. Die Welt der Götter und Heroen in der römischen Poesie wurde damals auf die eigene Lebenswelt bezogen und entwickelte sich zu einen Referenzsystem, das die gesamte Neuzeit über Geltung behalten sollte. Ausgangspunkt bildet die Edition, Übersetzung und Analyse des sogenannten Ovidius moralizatus von Petrus Berchorius. Diese allegorische Auslegung der Metamorphosen Ovids, die gegen 1340 in Avignon verfasst wurde, gehört zu den erfolgreichsten Schriften des 14. und 15. Jahrhunderts und ist noch heute in c. 80 Handschriften überliefert. Dem antiken Mythen-Corpus Ovids wird hier ein verborgener Sinn zugesprochen und im Medium der Allegorese werden auf diese Weise Bibel und Mythos zusammengeführt. Berchorius bietet jeweils eine Vielzahl von Deutungen an, die sowohl positive wie negative Exempla aufrufen und sich in großem Maße auf die zeitgenössische, lebensweltliche Erfahrung beziehen. Damit beschreitet er neue Wege und setzt die Allegorese konsequent als literarisch-rhetorische Technik ein, die aus der theologischen Hermeneutik adaptiert ist. Ein zentraler Text zur Mythenrezeption des Spätmittelalters und der Renaissance wird so erstmalig für die Vertreter der verschiedenen historischen Disziplinen erschlossen. Die Abhandlung des Berchorius wird unmittelbar nach der Entstehung in Italien rezipiert und zudem mit höchst ungewöhnlichen Illustrationsfolgen versehen. Für den Mailänder Adligen Bruzio Visconti wird 1348 in Bologna ein Miniaturenzyklus erarbeitet, der ausgesprochen phantasievoll den Prozess der Verwandlung in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt und zudem ein ausgeprägtes Naturinteresses verrät. (Gotha, Membr. I 98) Diese spektakulären Bilder werden hier zum ersten Mal systematisch analysiert. Die Zeichnungen in einem weiteren Kodex (Bergamo, Ms. Cassaforte 3.4), die nach unserer neuen Datierung bereits um ca. 1360 entstanden, stammen vermutlich von Laienhand und belegen einmal mehr die große Resonanz, welche diese aktualisierende Auslegung der Metamorphosen in den intellektuell ambitionierten Kreisen der oberitalienischen Städte erhalten hat. Um 1350 ist nach den Beschreibungen des Berchorius eine neue Ikonographie der antiken Götter entwickelt worden, die seinerzeit weithin ausstrahlte, sich heute aber nur noch in wenigen Bespielen fassen lässt. Ein abschließendes Kapitel stellt das Traktat des Berchorius in den Kontext der zahlreichen Bemühungen, die sich damals dem antiken Mythos widmen und unter denen sich auch die Namen von Dante, Petrarca und Boccaccio finden. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit sind diese im weitesten Sinne als Aktualisierungen anzusprechen, da sie den Mythos mit vertrauten Wissensbereichen und zeitgenössischen Erfahrungen verbinden.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen