Auswirkungen von mechanischer Last und Temperatur auf das Schaltverhalten ferroelektrisch-ferroelastischer Werkstoffe
Final Report Abstract
Ziel des Projekts war die Aufklärung des elektrisch und mechanisch induzierten Schaltens von 180°- und nicht-180°-Domänen in Ferroelektrika mit Perovskitstruktur. Es sollte ein Zusammenhang zwischen der Domänendynamik und makroskopischen Eigenschaften wie Polarisation und Dehnung hergestellt werden. In der Anwendung sollten die gewonnenen Erkenntnisse zur Entwicklung einer Polungs-Prozedur genutzt werden, die in einer für ein bestimmtes Einsatzgebiet optimierten Domänenstruktur resultiert. Die Domänenstruktur der polykristallinen Proben wurde mit Beugungsmethoden untersucht. Aus den Diffraktogrammen wurde die Domänenorientierungsverteilungsfunktion (ODF) ermittelt, ein Maß für den relativen Volumenanteil von Domänen, die parallel bzw. senkrecht zu einer vorgegebenen Richtung stehen. Gleichzeitig wurden durch Messung des Hystereseverhaltens von Dehnung (Großsignal) und piezoelektrischem bzw. elastischem Koeffizienten (Kleinsignal) reversible und irreversible Beiträge zu makroskopischen Zustandsänderungen separiert. Es zeigte sich, dass die irreversiblen Beiträge genau mit den in der ODF beobachteten 90° Schaltvorgängen tetragonaler Domänen skalierten. Andere Effekte, wie 180°-Schalten oder das Verhalten ebenfalls beobachteter rhomboedrischer Volumenanteile, spielten beim Großsignal-Verhalten keine Rolle. Auf dieser Erkenntnis aufbauend wurden die ODF und das piezoelektrische Kleinsignalverhalten von weich- und hartdotierten Proben nach unterschiedlichen Polungs- und Belastungsprozeduren verglichen, wie sie in typischen Aktoranwendungen auftreten. Dabei wurde der unerwartete Effekt beobachtet, dass die Kombination von elektrischem Feld und mechanischer Druckspannung zu einer stärkeren Ausrichtung von Domänen senkrecht zur Polungsrichtung führte als die mechanische Last allein. Das elektrische Feld führte also nicht zur Stabilisierung, sondern im Gegenteil zur Destabilisierung der Domänenstruktur. Zum anderen zeigte sich, dass das Kleinsignalverhalten nicht direkt mit der Domänenorientierung korreliert. Im Gegensatz zur makroskopischen Dehnung erfordert die Interpretation der piezoelektrischen Tensorkomponenten also über die Domänenorientierung hinausgehende Informationen. Zur quantitativen Vorhersage des Materialverhaltens der polykristallinen Keramik wurde ein modifiziertes Phasenfeldmodell entwickelt. Dabei wurde das Verhalten der Keramik durch Mittelung über das Verhalten einzelner Zellen mit unterschiedlicher Orientierung gewonnen, die jeweils einen eindomänigen Einkristall darstellen. Dieses Modell war jedoch nicht in der Lage, die grundlegende Polarisationsdynamik in Keramiken abzubilden; das Verhalten des Polykristalls ist komplexer als das einer Ansammlung von wechselwirkungsfreien Einkristallen. Überraschend war, dass im Modell eine Dynamik gefunden wurde, die einem durch Domänenwandbewegung limitierten Schaltprozess entspricht, obwohl die Bildung von Domänenwänden im Modell explizit ausgeschlossen war. Eventuell eignet sich der Ansatz der Mittelung über viele Einzelzellen daher besser zur Beschreibung eines vieldomänigen Einkristalls als eines polykristallinen Systems. Abschließend wurde die Polarisationshysterese an Einkristallen mit rhomboedrischer und tetragonaler Perovskitstruktur unter verschiedenen mechanischen Belastungen untersucht. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass der Einfluss der mechanischen Last nicht nur über den extrinsischen piezoelektrischen Effekt wirksam wird, sondern dass auch der intrinsische Piezoeffekt einen unerwartet hohen Anteil an der Stabiliserung bzw. Destabilisierung von Domänenstrukturen hat.
Publications
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(See online at https://doi.org/10.1002/adfm.201101301)