Lern- und Gedächtnisleistungen vom Säuglings- bis zum Vorschulalter im Kulturvergleich
Final Report Abstract
In diesem Forschungsprojekt wurden die Lern- und Gedächtnisleistungen vom Säuglings- bis zum Kleinkindalter kulturvergleichend analysiert. In einer ersten Projektphase wurden die wesentlichen Paradigmen der Gedächtnisentwicklung bzw. des impliziten und expliziten Lernens (Habituation, Assoziations- und, Kontingenzlernen, Verzögerte Imitation) an drei deutschen Universitäten (Bielefeld, Giessen und Frankfurt) und einem Standort in Kamerun (Kumbo) längsschnittlich erfasst. Es wurden dabei extreme Entwicklungsbedingungen kontrastiert, indem Kinder aus einem westlichen Industrieland (deutsche Mittelschichtkinder) mit kamerunischen Kindern aus überwiegend ländlichen Gebieten verglichen wurden (Kinder nordwestkamerunischer Nso-Bauern). Bei den Erhebungen wurde sowohl bedeutungshaltiges Material als Reizvorlage verwendet (weiße versus schwarze Gesichter bzw. Gesichter) als auch bezüglich des physikalischen Gehalts vergleichbare bedeutungslose Reize (sogenannte Greebles). In der ersten Projektphase fanden Erhebungen bei Säuglingen im Alter von 3, 6 und 9 Monaten statt. In der anschließenden zweiten Projektphase wurde die Entwicklung des implizites und explizites Lernens im Kleinkindalter (mit 3 und 4 Jahren) weiter verfolgt. Dadurch sollten bisher getrennte Forschungsbereiche, nämlich die Lern- und Gedächtnisforschung im Säuglings- und Kleinkindalter, verknüpft werden, um die Kontinuität bzw. Diskontinuität im Entwicklungsverlauf zu analysieren. Um dies zu ermöglichen, wurde den 3- und 4-jährigen Kindern aus der vorangegangenen Projektphase erneut ein Aufgabenrepertoire aus impliziten und expliziten Lern- und Gedächtnisaufgaben in Analogie zu dem Aufgabenrepertoire aus dem Säuglingsalter vorgelegt. Da die zentralen Projektfragestellungen kulturspezifisch untersucht werden sollten, wurden die zum Einsatz kommenden Materialien und Instrumente teilweise kulturell adaptiert bzw. kultursensitive Variationen der Stimulus- bzw. Aufgabenarten erarbeitet. Als zentrales Ergebnis lässt sich festhalten, dass bei den eingesetzten Lern- und Gedächtnisparadigmen vergleichbare Lernzuwächse in beiden Kulturkreisen auffindbar waren, was auf universell verfügbare Lern- und Gedächtnisressourcen hinweist. Gleichzeitig zeigte sich jedoch, dass sowohl die Ausgangsleistung als auch die erreichte Gesamtleistung der Nso-Kinder bei vielen Aufgabentypen (vor allem im Alter von drei und vier Jahren) niedriger lag als bei den deutschen Mittelschichtkindern. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Nso-Kinder über weniger Erfahrung mit den verwandten Lern- und Gedächtnisaufgaben verfügen. Es wurden daher bei einigen Aufgaben Anpassungen vorgenommen, die dem Erfahrungsspektrum der Nso-Kinder in stärkerem Maße entsprachen, wobei sich zeigte, dass die ursprünglich vorhandenen Leistungsunterschiede dadurch deutlich reduziert werden konnten. Es konnten weiterhin in beiden Kulturkreisen Einflüsse des verwandten Stimulusmaterials nachgewiesen werden. So ließen sich beispielsweise in beiden Kulturkreisen bei Verwendung von schwarzen bzw. weißen Gesichtern Other-Race-Effekte nachweisen, die dadurch definiert sind, dass im Entwicklungsverlauf die Unterscheidungsfähigkeit von Gesichtern unbekannter Ethnien nachlässt. Es ließ sich darüber hinaus auch zeigen, dass die Art des Stimulusmaterials (vertraut versus unvertraut) Einfluss auf die Lern- und Gedächtnisleistungen hat. Insgesamt begründet dieses Projekt die Notwendigkeit kulturvergleichender entwicklungspsychologischer Forschung. Für Folgestudien lässt sich aus diesen Ergebnissen die Konsequenz ziehen, dass es von hoher Bedeutung ist, kulturspezifische Anpassungen bei den verwendeten Aufgabentypen vorzunehmen, um Fehlinterpretationen bei Forschungsergebnissen zu vermeiden. Weiterhin scheint auch dem verwendeten Stimulusmaterial eine hohe Relevanz zuzukommen, da die inhaltlichen Ergebnisse teilweise mit dem Stimulusmaterial interferieren können.
Publications
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