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Revision der Konkurrenzlehre

Subject Area Criminal Law
Term Funded in 2020
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 448035069
 
Die tradierte Konkurrenzlehre differenziert zwischen den Figuren von Tateinheit und Tatmehrheit: Die Abgrenzung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit richtet sich grundsätzlich nach der Anzahl der Handlungen, durch die der Täter die ihm angelasteten Tatbestände verwirklicht hat. Liegt ein Fall von Tateinheit vor, profitiert der Idealitertäter vom sog. Absorptionsprinzip: Der Täter wird – grob gesprochen – wegen mehrerer Straftaten verurteilt, aber es findet auf ihn nur der schwerere Strafrahmen Anwendung. Anders ist dies, wenn die im Schuldspruch vorhandenen Delikte durch unterschiedliche Handlungen verwirklicht wurden. Im Falle der Tatmehrheit findet auf der Rechtsfolgenebene die sog. Asperationsmethode Anwendung. Für jede im Schuldspruch vorhandene Tatbestandsverwirklichung wird eine Einzelstrafe gebildet, diese Einzelstrafen werden zu einer Gesamtstrafe verbunden (näher § 54 StGB). Nicht nur theoretisch betrachtet ist die Asperationsmethode für den Täter ungünstiger als das Absorptionsmodell. Mithin behandelt das Gesetz den Idealitertäter grundsätzlich besser als den Realitertäter.Diese Ungleichbehandlung bedarf einer – verfassungsrechtlich tragfähigen – Rechtfertigung. Da Idealiter- und Realitertäter unterschiedlich bestraft werden, auch wenn sie dieselben Tatbestände verwirklicht haben, muss zwischen diesen beiden Konstellationen eine Schulddifferenz zu verzeichnen sein. Die Strafe hat sich nämlich grundsätzlich nach dem Ausmaß der Schuld (im Sinne der Strafzumessungsschuld) auszurichten. Diese Strafzumessungsschuld müsste im Falle tatmehrheitlicher Tatverwirklichung (mehrere Handlungen) – aus welchen Gründen auch immer – größer ausfallen als im Falle tateinheitlicher Tatbegehung (eine Handlung). Um dies mit einem bekannten Schulbeispiel zu exemplifizieren: Trifft den Vater, der seine beiden im Zwillingskinderwagen sitzenden Säuglinge mit einem Schubs in den Fluss und damit in den Tod befördert, tatsächlich weniger Schuld, als wenn er denselben Erfolg sukzessiv, beispielsweise durch ein nacheinander folgendes Herausnehmen und Hinunterwerfen der Säuglinge, verwirklichte? Obwohl das Vorhandensein einer Schulddifferenz in diesem Fall und in anderen Fällen zumindest auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, wurde selten ein Bedürfnis dafür gesehen, die Schuldrelevanz der Handlungszahl einer näheren und tiefgängigen Analyse zu unterziehen. Eine solche wurde schlicht unterstellt: Bei v. Liszt heißt es in einem Beitrag aus dem Jahre 1910: „[Von] jedem theoretischen Standpunkt aus“ falle eine Handlung „wesentlich leichter ins Gewicht […] als mehrere.“ Die Hypothese von der Schulddifferenz zwischen handlungseinheitlicher und handlungsmehrheitlicher Tatbestandsverwirklichung, die nicht nur bei v. Liszt, sondern vielerorts ohne wirkliche Begründung als quasi Axiom formuliert wird, wird in der vorliegenden Abhandlung ausführlich, und zwar anhand der Parameter, die über Tateinheit und Tatmehrheit entscheiden, untersucht.
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