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Eine Gesellschaftsgeschichte des ostdeutschen Handwerks im Systemumbruch (1980-2000)

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 444136534
 
In den öffentlichen Debatten um die Transformation in Ostdeutschland stehen sich zwei Narrative konträr gegenüber: auf der einen Seite die Erzählung des erfolgreichen Umbaus einer maroden staatssozialistischen Kommandowirtschaft in nachhaltige marktwirtschaftliche Strukturen mit der Perspektive, früher oder später mit den alten Bundesländern aufzuschließen und die von Helmut Kohl verheißenen "blühenden Landschaften" einzulösen; auf der anderen das Klagelied einer durch die Privatisierungs- und Abwicklungsmaßnahmen der Treuhandanstalt verursachten Deindustrialisierung der neuen Bundesländer, die dazu führt, dass diese seit den 1990er Jahren abgehängt werden und strukturell immer weiter in Rückstand geraten.Das Projekt strebt eine Alternative zu diesen beiden Perspektiven an, indem es mit dem Handwerk einen nicht-industriellen Wirtschaftssektor in den Mittelpunkt stellt, der a) von der Forschung sowohl für die Zeit vor als auch nach 1989/90 unterschätzt worden ist, der b) in beiden Phasen erstaunlich erfolgreich war, der c) in vielen Regionen nach dem Ende der volkseigenen Industrien zum wichtigsten Rückgrat der lokalen Wirtschaft geworden ist, und der d) dabei nichts mit der Treuhandanstalt zu tun hat, weil er bis zum Ende der DDR entweder privat oder genossenschaftlich organisiert war.Die Untersuchung der Lebenswelten ostdeutscher Handwerkerinnen und Handwerker ordnet sich ein in Forschungen zu Konflikten, Arrangements und Erosion lokaler Gesellschaften in der Spätphase des Realsozialismus (BAHR 2016; WEIß / BRAUN 2019). Sie vermittelt neue Aufschlüsse über Aushandlungsprozesse, Handlungsspielräume, Netzwerke und soziale Mobilität in einem Systemumbruch, in dem nicht nur politische und ökonomische Rahmenbedingungen einem fundamentalen Wandel unterzogen, sondern auch die gesamten Koordinaten gesellschaftlichen Zusammenlebens mit Konsequenzen bis in die Gegenwart neu definiert wurden.Indem das Projekt den bisher in der Forschung vernachlässigten Bereich der nicht-industriellen Arbeit am Beispiel des Handwerks untersucht, bietet es neue Einsichten in den Wandel der Arbeit und die Dimensionen sozialer Ungleichheit in der späten DDR und in der Transformationsphase (HACHTMANN 2015; SÜß 2015; GIESEKE 2013). Während die Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft bisher zumeist als radikaler Umbruch mit einer nachfolgenden Deindustrialisierung in vielen Landstrichen der DDR beschrieben wurde (WILLISCH / BUDE / MEDICUS 2011), in der Treuhandanstalt eine zentrale Rolle spielte (BÖICK 2018), vermittelt eine Untersuchung, die das Handwerk mit einem hohen Anteil an lokal verankerten Privatbetrieben in den Mittelpunkt stellt, alternative Einblicke in die Neuformatierung gesellschaftlicher Zusammenhänge während der Transformationsphase.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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