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Augenscheinlich exzellent? Evidenzpraktiken in der Aufbereitung wissenschaftlicher Forschung und Biographien für die Beantragung von ERC Starting und Consolidator Grants
Antragstellerin
Professorin Dr. Ruth Müller
Fachliche Zuordnung
Empirische Sozialforschung
Förderung
Förderung von 2020 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282210851
Thema des Teilprojekts 8 sind Evidenzpraktiken in der Bewertung von wissenschaftlicher Qualität in der Forschungsförderung. Im gegenwärtigen Wissenschaftssystem ist hohe wissenschaftliche Qualität, oft mit dem Begriff der Exzellenz gefasst, sowohl zum vielbesprochenen Ziel wissenschaftlicher und wissenschaftspolitischer Aktivitäten geworden, als auch zur strittigen Frage: Wie kann wissenschaftliche Exzellenz evident gemacht werden? Und wer kann sie mit welchen Mitteln bestimmen, messen und vergleichen?Als assoziiertes Projekt AP2 der Forschungsgruppe in Phase 1 haben wir untersucht, wie Gutachter/innen des renommierten Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) die Prozesse der wissenschaftlichen Begutachtung im ERC wahrnehmen und navigieren, und welche Normen und Werte ihre Evidenzpraktiken in der Feststellung der Qualität wissenschaftlicher Projekte und Biographien anleiten. Dabei zeigte sich ein Spannungsverhältnis zwischen einem prinzipiell heterogenen und kontextabhängigen Verständnis von Exzellenz unter den Gutachter/innen in der abstrakten Diskussion, und einem dominanten Fokus auf standardisierte Performanceindikatoren in der Darstellung der tatsächlichen Bewertungspraktiken.Im vorliegenden Teilprojekt für Phase 2 verschiebt sich der Fokus auf die Evidenzpraktiken von Antragsteller/innen beim ERC. Das Teilprojekt verortet seine Analyse in einer weitreichenderen Dynamik der De- und Restabilisierung von Vorstellungen wissenschaftlicher Qualität, die Ergebnis grundlegender Transformationsprozesse in der Wissenschaft sind und für die die Schaffung des ERC selbst ein Ausdruck ist. Genauso wie Gutachter/innen stehen Antragsteller/innen vor der Frage, wie sie die hohe wissenschaftliche Qualität von Forschungsideen und wissenschaftlichen Biographien evident machen können. Das TP8 erforscht, welche Evidenzpraktiken Wissenschaftler/innen anwenden, wenn sie Evidenz für die Exzellenz ihrer Anträge generieren wollen und welche epistemischen, normativen und institutionellen Auswirkungen diese Praktiken haben könnten. Dieses Forschungsziel wird das Projekt mit qualitativen sozialwissenschaftlichen Methoden verfolgen. Wir werden Interviews mit Antragsteller/innen sowie mit universitären Mitarbeiter/innen, die Wissenschaftler/innen bei der Antragstellung beraten, durchführen, Antragsdokumente analysieren und Coachingevents für Antragsteller/innen teilnehmend beobachten. Das TP8 wird damit beforschen, wie Wissenschaftler/innen Evidenz für die Qualität ihrer Arbeit schaffen und dadurch neue Kriterien und Standards für qualitativ hochwertige und glaubwürdige Wissenschaft erzeugen und einüben. Aufgrund der zentralen Rolle, die wissenschaftliches Wissen für Evidenzpraktiken in verschiedenen Gesellschaftsbereichen spielt, stellt eine solche reflexive Analyse von innerwissenschaftlichen Evidenzpraktiken, die wissenschaftliche Ressourcen und Renommee entscheidend regulieren, ein wichtiges Element der Forschungsgruppe Evidenzpraktiken dar.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen