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Anthropologie der Relevanz: Schütz und Nishida im interkulturellen Dialog

Antragsteller Dr. Jan Straßheim
Fachliche Zuordnung Theoretische Philosophie
Förderung Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 431058086
 
Der Begriff der „Relevanz“ beschreibt Muster, die das menschliche Handeln und Erfahren formen und in regelhafte Bahnen lenken. Anders jedoch als der Begriff einer strikten „Regel“ erfasst der Begriff „Relevanz“ zugleich, dass solche Muster offen sind für unterschiedliche Situationen und Individuen. „Relevant“ ist nicht nur (1) das Vertraute, Gewohnte oder Wiedererkennbare, das sich in etablierte Sinnmuster einfügt, sondern auch (2) das Neue, das Fremde oder Einzigartige, mithin gerade das, was von bestehenden Mustern abweicht. Ein Regelmodell vernachlässigt diese zweite Seite zugunsten der ersten. Aber erst beide zusammen ermöglichen unser situationsbezogenes Entscheiden und Wahrnehmen, unseren flexiblen und oft kreativen Sprachgebrauch, die Dynamik von Emotionen oder den Zugang zum individuellen anderen Menschen. Ein zweiseitiger Relevanzbegriff zielt so auf eine für unser subjektives und soziales Leben grundlegende Spannung, die ein Regelmodell verfehlt. Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer philosophischen Relevanztheorie, die jene Spannung systematisch entfaltet. Damit soll es eine Lücke schließen, die auch kulturell bedingt ist. Obwohl sich in mehreren Disziplinen (wie Philosophie, Soziologie, Sprach-, Kognitions- und Informationswissenschaft) Relevanzmodelle als überlegen erwiesen haben, fällt die Forschung immer wieder auf Regelmodelle zurück. Diese Schieflage erklärt sich zum Teil durch eine Präferenz für feste Strukturen in europäischen Denktraditionen, auf die der japanische Philosoph Kitarō Nishida (1870-1945) hingewiesen hat. Das Projekt orientiert sich daher an Methoden des „interkulturellen Philosophierens“. Im Rückgang auf die oft vergessene Relevanzforschung ab etwa 1930 wird insbesondere die am weitesten entwickelte Relevanztheorie, diejenige von Alfred Schütz (1899-1959), zum Ausgangspunkt genommen. Als Korrektiv der kulturell mitbedingten Schieflage, die auch Schütz in theoretische Schwierigkeiten bringt, dient ein „Dialog“ mit Nishida, der die irreduzible Rolle der zweiten Seite von Relevanz herausarbeitet. Eine problemorientierte Lektüre soll eine „Triangulation“ zwischen den zwei Perspektiven und ihrem gemeinsamen Gegenstand leisten und dabei das Potential beider Philosophen stärken. Als Referenzrahmen, der den Fokus schärft, dient die philosophische Anthropologie. Dabei hebt die Relevanztheorie ein kulturell und historisch variables Menschenbild hervor und bietet eine Reflexion auf das Verhältnis zwischen Kulturen, die Schließungs- und Öffnungstendenzen in der aktuellen Diskussion um „Globalisierung“ auf eine gemeinsame Grundlage bezieht. Das Projekt schließt an neueste Relevanzforschung wie etwa die Formalisierungen im Rahmen der Analytischen Philosophie (u.a. Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Relevanz“) an, eröffnet jedoch einen eigenständigen sozialphänomenologischen und historisch-anthropologischen Zugang. Die Ergebnisse sollen in Form einer Monographie und mindestens zweier Peer-Review-Aufsätze veröffentlicht werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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