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Kompensation durch Verfahren. Zu Formen, Notwendigkeit und Grenzen der Prozeduralisierung im Verwaltungs- und Verfassungsrecht.

Antragsteller Dr. Jochen Rauber
Fachliche Zuordnung Öffentliches Recht
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 428548823
 
Ziel des Forschungsvorhabens ist eine Analyse der im Verwaltungs- und Verfassungsrecht verbreiteten These der Kompensation durch Verfahren. Den Kern dieser These bildet die Vorstellung, die verfahrensrechtliche Einhegung staatlicher Entscheidungen leiste einen Ausgleich dafür, dass die materiell-rechtlichen Vorgaben den Entscheidungsinhalt nur schwach determinieren. In einer Studie, die Verwaltungs- und Gesetzgebungsverfahren vergleichend gegenüberstellt, möchte ich diese Kompensationsthese näher untersuchen: Von welcher Art von Verfahrenspflichten erhofft sich das Recht, administrative und legislative Freiräume aufzufangen und inwieweit werden diese ihrem Kompensationsanspruch gerecht? Besteht aus rechtlicher Sicht überhaupt die Notwendigkeit durch prozedurale Vorgaben kompensierend auf die staatliche Entscheidungsfindung einzuwirken? Welche Grenzen zieht das Verfassungsrecht dem Versuch, auf rechtliche Anforderungen an den Inhalt staatlicher Entscheidungen zu verzichten und deren Fehlen durch Verfahrenspflichten auszugleichen? Und ist der Kanon der Verfahrensfunktionen angesichts dessen um eine eigenständige Kompensationsfunktion zu ergänzen?Die Antworten auf diese Fragen werde ich in sechs Schritten entwickeln: Der erste Schritt wird die Grundbegriffe „Verfahren“ und „Kompensation“ explizieren. Im zweiten Schritt werde ich eine Verwaltungs- und Verfassungsrecht übergreifende Typologie kompensatorischer Verfahrenspflichten erarbeiten, die Formen prozeduraler Ausgleichsinstrumente klassifiziert. Grundlage hierfür bilden eine Analyse verwaltungsrechtlicher Referenzgebiete sowie die Auswertung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu gesetzgeberischen Verfahrenspflichten. Anhand dieser Typologie werde ich untersuchen, ob der Kompensationsgedanke das Verhältnis von prozeduralen und inhaltlichen Entscheidungsvorgaben zutreffend beschreibt. Der dritte Schritt knüpft dazu an die vorherrschende funktionale Lesart der Kompensationsthese an und wird unter Einbeziehung verhaltens- und politikwissenschaftlicher Erkenntnisse aufzeigen, inwiefern die identifizierten Verfahrenspflichten die ursprünglich dem materiellen Recht zugedachten Funktionen (u.a. Steuerungs-, Kontroll-, Legitimationsfunktion) erfüllen können. Um die rechtliche Dimension des Kompensationsgedankens zu erheben, stellen der vierte und fünfte Schritt dem eine normbezogene Lesart gegenüber. Sie werden zeigen, inwiefern das Verfassungsrecht überhaupt ein Mindestmaß materiell-rechtlicher Regelungsdichte verlangt, und analysieren, ob die im Fall eines Unterschreitens beeinträchtigten Verfassungsbestimmungen auch eine alternative Erfüllung – und damit eine Kompensation – durch prozedurale Anforderungen erlauben. Von hier aus lässt sich schließlich fragen, was daraus für das Verhältnis von materiellem Recht und Verfahrensrecht folgt und inwiefern der Kompensationsgedanke nicht nur beschreibend, sondern auch normativ zur Begründung von Verfahrensanforderungen herangezogen werden kann.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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