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Die Wasserwirtschaftslager für jüdische Zwangsarbeiter im Distrikt Lublin, 1940-1942. Knotenpunkte der Judenverfolgung im Generalgouvernement?
Antragsteller
Dr. Frank Grelka
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 406251089
Das Forschungsprojekt untersucht die landwirtschaftliche Beschäftigungspolitik der Regierung des Generalgouvernements (GG) als Leitkonzept der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in den beiden ersten Jahren der deutschen Besatzung Polens. Im Mittelpunkt der Untersuchung soll eine empirische Fallstudie zu öffentlichen Bauprojekten stehen, bei denen Juden gezwungen wurden, im Auftrag des Referats Wasserwirtschaft Drainagearbeiten zur Trockenlegung von Ackerland zu leisten. Der Schwerpunkt der Quellenforschung liegt auf den bisher bekannten ca. 60 über den gesamten Distrikt Lublin verteilten Lagern (bei 170 im gesamten GG), einem Vergleich zu weiteren Formen der Zwangsarbeit in Regie von Wehrmacht und SS sowie der Anbindung dieser Meliorationslager an die Massentötungsanlagen Sobibór und Bełżec seit Ende 1941. Die Projektergebnisse fließen in eine Monographie und in ein Modul interaktiver Karten für die Forschung ein, das die zentrale Bedeutung multipler Dislozierungen (über Judenlager in Gettos, Arbeits- und Vernichtungslager u.a.) jüdischer Zwangsarbeiter aus West- und Ostmitteleuropa für den Holocaust visualisieren wird.Zur Einordnung dieser Art landwirtschaftlicher Zwangsarbeit soll das Erleben der Arbeiter methodisch aus der Perspektive von vier Akteursgruppen durchdrungen werden: die deutsche Regierung, die jüdischen Hilfsinstitutionen, die nichtjüdischen Bewohner im Lagerumfeld sowie aus Sicht der jüdischen Zwangsarbeiter. Im Rückgriff auf neuere geographiegeschichtliche Ansätze der Holocaust Studies versteht das Projekt die Meliorationslager als periphere Knotenpunkte der frühen Verfolgungspraxis, an denen die zentrale Trias für das Überleben von Arbeit, Lohn und Ernährung nicht mehr gegeben war. Im Unterschied zur bisherigen Forschung will das Projekt belegen, dass die landwirtschaftliche Zwangsarbeit im Hinblick auf die Gesamtentwicklung des Mordes an den Juden entscheidender war als die Gettos, und plädiert im Zuge einer praxeologischen Untersuchung für eine strikte analytische Trennung beider Verfolgungskomplexe. Während die Bildung der Gettos mit sanitären Motiven begründet wurde, um jüdische Bevölkerungen an bestimmten Orten zu konzentrieren, verlief die Errichtung von Zwangsarbeitslager gegenläufig. Unter dem Vorwand des Arbeitseinsatzes wurden Juden seit 1940 in Wasserwirtschaftslager bei Verweigerung elementarer Lebensbedingungen disloziert. Diese Untersuchung der nicht-industriellen Beschäftigungspolitik wird belegen, wie die GG-Regierung die sozioökonomischen Lebensverhältnisse der jüdischen Bevölkerung systematisch verschlechterte, um die Errichtung der finanziell kostspieligen urbanen Gettos auf ein notwendiges Minimum zu beschränken. In den Wasserwirtschaftslagern identifiziert das Projekt die räumliche Verkörperung dieser Politik, nämlich als Knotenpunkt der Judenverfolgung an denen parallel existierende Verfolgungsräume zu einer fatalen Kongruenz kamen, die schließlich in den Holocaust führte.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen