Detailseite
Die Bedeutungen menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht: Normkontestationen im Regime Wirtschaft und Menschenrechte
Antragstellerin
Privatdozentin Dr. Janne Mende
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2018
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 398306144
Die Norm der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht (Human rights due diligence, HRDD) rückt zunehmend in den Mittelpunkt der jüngsten Entwicklungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte (business and human rights, BHR) – ein Regime, das Fragen der Unternehmensverantwortung für Menschenrechte adressiert. HRDD ist dabei, sich als Standard für die Entwicklung und Ausdifferenzierung der Unternehmensverantwortung für Menschenrechte zu etablieren. Allerdings unterscheiden sich bei den unterschiedlichen am BHR-Regime beteiligten Akteuren das jeweilige Verständnis und die Erwartungen an die Norm stark voneinander. Entsprechend umstritten ist, was genau HRDD beinhaltet bzw. beinhaltet sollte und wer für deren Ausführung und Kontrolle zuständig ist. Gleichzeitig erhält HRDD gerade durch diese Kontestationen ihre Bedeutung als Norm innerhalb des BHR-Regimes. In der vorliegenden Studie werden die umstrittenen Prozesse der Bedeutungsgebung und Interpretation von HRDD seitens der verschiedenen an der Normauslegung beteiligten Akteure innerhalb der BHR-Regimes untersucht. Die leitende Forschungsfrage lautet, wie die Kontestationen über divergierende Erwartungen und Verständnisse bezüglich HRDD diese Norm im BHR-Regime prägen. Grundlage ist die der Normenforschung entstammende Annahme, dass es sich bei Norm-Kontestation um einen produktiven Prozess handelt, aus dem heraus sich Normen und deren Bedeutungen konstituieren. Darauf aufbauend zeichnet das Projekt die möglichen Bedeutungen von HRDD nach, indem die verschiedenen Verständnisse und Erwartungen der normauslegenden Akteure des BHR-Regimes qualitativ herausgearbeitet werden. Vier umstrittene Themenbereiche in den Deliberationen über HRDD stehen dabei im Mittelpunkt: (1) die Soft-law- und Hard-law-Dimensionen der Norm, (2) die Zuschreibung von Verantwortung für die Regulierung und Anwendung von HRDD an öffentliche und private Akteure, (3) der Grad der Allgemeinheit bzw. der branchen- und themenspezifischen Ausgestaltung von HRDD, sowie (4) das Verhältnis zwischen HRDD und gesetzlicher Haftung. Die sich in diesen vier Themenbereichen ergebenden Bedeutungen der HRDD werden in ihren (auch widersprüchlichen) Konstellationen rekonstruiert, die erklären, wie HRDD innerhalb des BHR-Regimes Gestalt annimmt. Das Projekt untersucht zwei empirische Fallstudien, die die globale Relevanz der Norm veranschaulichen und die Akteure sowohl aus dem Globalen Norden als auch dem Globalen Süden beinhalten: die verpflichtende HRDD-Initiative der EU sowie die Verhandlungen über einen BHR-Vertrag im UN-Menschenrechtsrat. Dazu wird eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt, die mit Elementen der Grounded Theory kombiniert wird. Es werden (1) Dokumente analysiert, die Teil der Deliberations- und Beratungsprozesse sind, sowie (2) ergänzend Experteninterviews mit zentralen Akteuren durchgeführt und ausgewertet.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen