Die Briefkommunikation der Kaiserin Augusta. Rollenerwartung, Selbstverständnis, Handlungsspielräume.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden die überlieferten und öffentlich zugänglichen Briefe der preußischen Königin und Deutschen Kaiserin Augusta, Ehefrau Wilhelms I., verzeichnet. Über 22.000 Briefe konnten dabei in 60 Archiven, Bibliotheken und Museen sowie in 38 Editionen ermittelt werden. 490 Korrespondenzpartnerinnen und -partner, darunter Fürstinnen und Fürsten, Minister, Diplomaten, Kleriker, Militärs, Kulturtätige und Wissenschaftler, gehörten zum Briefnetzwerk Augustas. Die Metadaten der Briefe stehen in einem durchsuchbaren Online-Portal (www.augusta.uni-trier.de) zur Verfügung und werden durch personen- und ortsbezogene Informationen ergänzt. Die Briefe an und von Augusta wurden weiterhin quantitativ, in weiten Teilen auch qualitativ ausgewertet. Im Fokus der Untersuchung standen die Fragestellungen, mit wem Augusta über welche Themen korrespondierte, unter welchen Bedingungen die Briefkommunikation stattfand, inwieweit sich das Briefnetzwerk im Laufe ihres Leben veränderte und welche Rückschlüsse dies auf die Handlungsspielräume der Königin-Kaiserin zulässt. Augusta nutzte ihre Briefkommunikation gezielt, um ihre politischen Visionen umzusetzen. Sie verstand sich als Ratgeberin ihres Ehemannes und versuchte in zahlreichen Belangen bei ihm zu intervenieren. Die Königin-Kaiserin griff auf ihr europaweites Briefnetzwerk zurück, um Informationen einzuholen und weiterzuleiten, sich eine Meinung zu bilden und zwischen verschiedenen Interessengruppen zu vermitteln. Zwar hatte sie keinen signifikanten Einfluss auf die Tagespolitik, aber es gelang ihr dennoch, durch hartnäckiges Briefeschreiben Reformen etwa im Ordenswesen oder in der Kriegskrankenpflege anzustoßen. Die Auswertung der Briefe Augustas konnte aufzeigen, wie vielfältig die Aufgabengebiete und Handlungsspielräume einer Königin-Kaiserin im 19. Jahrhundert waren. Da die Rolle der Monarchin nicht kodifiziert war, lag es an jeder einzelnen Amtsinhaberin, ihre Position zwischen Selbstverständnis und Rollenerwartung auszuhandeln. Otto von Bismarck zeichnete in seinen wirkmächtigen „Gedanken und Erinnerungen“ das Bild einer Frau, die stets ihre Kompetenzen überschritt und sich Einmischungen anmaßte, die ihr nicht zustanden. Augusta verstand sich hingegen als Landesmutter, deren Verpflichtung es sei, aktiv gesellschaftlich zu gestalten und ihren Ehemann politisch zu beraten. Da sie sich aufgrund ihrer Reisetätigkeit häufig fernab von Berlin aufhielt, verfolgte sie ihre Agenda mittels unermüdlicher Briefkommunikation.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Eine „Titelaffaire“ oder „mehr Schein als Wirklichkeit“: Wilhelm I., Augusta und die Kaiserfrage 1870/71, in: Ohnezeit, Maik (Hg.): 1870/71. Reichsgründung in Versailles, Friedrichsruh 2021
Bauer, Susanne und Markert, Jan