Neolithisierungsprozesse in Nordwestdeutschland: Tradition, Innovation und Adaption zwischen 6000 und 3500 v.Chr.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Durch die Förderung des Projekts „Neolithisierungsprozesse in Nordwestdeutschland: Tradition, Innovation und Adaption zwischen 6000 und 3500 v. Chr." konnten wichtige Erkenntnisse bezüglich des Neolithisierungsprozesses in der Nordwestdeutschen Tiefebene hinzugewonnen werden. Besonders der Nachweis des bislang ältesten Fundhorizontes der Rössener Kultur (4800 - 4400 v. Chr.) am Fundplatz Nottuln-Uphoven zeigt, dass der Prozess der Sesshaftwerdung und die produzierende Wirtschaftsweise früher Ackerbauern in der Tieflandzone der Westfälischen Bucht gut ein halbes Jahrtausend älter ist, als bisher angenommen. Dieser Sachverhalt erfordert eine komplett neue Bewertung des bisher bekannten Bildes über die frühen jungsteinzeitlichen Kulturen im nordwestdeutschen Raum und angrenzender Gebiete. Es ist davon auszugehen, dass die Agrargemeinschaften früher und in viel stärkerem Maße in den zur gleichen Zeit von mesolithischen Jägern und Sammlern bevölkerten Raum eindrangen. Dabei konnte sogar eine direkte Wanderung neolithischer Ackerbauern in das Gebiet der Baumberge wahrscheinlich gemacht werden. Die Neolithisierung ist in diesem Raum also direkt an eine traditionell agrarisch geprägte Menschengruppe gebunden. Eine Adaption verschiedener Aspekte der bäuerlichen Lebensweise durch lokale Jäger- und Sammlergruppen kann ausgeschlossen werden. Die Bewertung des Fundplatzes Nottuln-Uphoven im überregionalen Kontext zeigt des weiteren ein stark differenziertes Bild des Neolithisierungsprozesses im Nordwesteuropäischen Raum. Während die Neolithisierung der Westfälischen Bucht durch einwandernde Gruppen aus den Altsiedelgebieten an Hellweg und Rhein stattfand, die das komplette „Kulturpaket" des süddeutschen Neolithikums mitbrachten, sind im Inventar der gleichzeitigen Siedlung am nur ca. 100 km nordöstlich gelegenen Dümmer See lediglich einige Keramikimporte als Adaption der neolithischen Lebensweise zu sehen. Kulturgruppen wie die von Ertebolle im norddeutsch/skandinavischen Raum oder Swifterbant in den Niederlanden adaptierten wiederum lediglich die Technologie der Keramikherstellung, aber nicht die spezifischen Gefäßformen. Neben der regionalen Differenzierung des Neolithisierungsprozesses legen die neuen Forschungsergebnisse auch eine Einteilung in mehrere chronologisch aufeinanderfolgende Phasen nahe, die an das Auftreten mehrerer aufeinander folgender Kulturgruppen ün Gebiet gebunden zu sein scheinen (Rössen/Bischheim - Michelsberg - Trichterbecher). Der neolithische Fundplatz von Nottuln-Uphoven kann für die Archäologie noch lange nicht als erschöpft gelten. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des abgeschlossenen Forschungsprojektes werden sich auch in Zukunft erfolgsversprechende archäologische Feldforschungen am Platz durchführen lassen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Bodenkundliche Untersuchungen am jungsteinzeitlichen Siedlimgsplatz von Nottuln-Uphoven - Geowissenschaften in der Archäologischen Praxis. Geschichtsblätter des Kreises Coesfeld 33, 2008,27-42
H. Richter
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Früheste Siedlung des Münsterlandes. Archäologie in Deutschland 4, 2008, 47
C. Groer
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Grabungsbericht Nottuln 2007. Neujahrsgruß 2008 (Münster 2008)
C. Groer / B. Stapel
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Neue Forschungen zum ältesten Neolithikum im Münsterland: Bericht über die archäologischen Ausgrabungen 2007 am jungsteinzeitlichen Siedlungsplatz von Nottuln-Uphoven. Geschichtsblätter des Kreises Coesfeld 33, 2008, 1 - 26
C. Groer
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Grabungsbericht Nottuln 2008. Neujahrsgruß 2009 (Münster 2009)
C. Groer/B. Stapel
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Ein außergewöhnliches Gefäß der Rössener Kultur aus Nottuk-Uphoven, Kreis Coesfeld (Nordrhein-Westfalen).
C. Groer / S. Bußmann