Untersuchungen zur Kristallkeimbildung in unterkühlten Schmelzen reiner Metalle Co, Zr, halbleitendes Si und glasbildenden Zr-Pd Legierungen
Metallurgical, Thermal and Thermomechanical Treatment of Materials
Final Report Abstract
Die Erstarrung einer Schmelze wird durch thermisch aktivierte Kristallkeimbildung eingeleitet. Die Barriere zur Kristallkeimbildung resultiert aus der Notwendigkeit eine Grenzfläche zwischen fester und flüssiger Phase aufzubauen. Die Bildung eines kritischen wachstumsfähigen Kristallkeimes erfordert daher eine Energie, die durch Unterkühlung der Schmelze bereitgestellt wird. Durch Unterkühlung der Schmelze entsteht eine negative Differenz der freien Enthalpien von fester und flüssiger Phase, die als treibende Kraft zur Kristallisation wirkt. Man unterscheidet zwischen homogener und heterogener Keimbildung. Die Aktivierungsenergie bei homogener Keimbildung hängt nur von den materialspezifischen Parametern der Grenzflächenenergie und der thermodynamischen Parameter ab. Sie ist demzufolge ein intrinsischer Prozess. Tiegelwände, Metalloxide an der Oberfläche der Schmelze oder auch Fremdphasen in der Schmelze begünstigen die Kristallkeimbildung durch Erniedrigung der Aktivierungsenergie zur Bildung kritischer Keime. Diese heterogene Keimbildung ist somit ein extrinsischer Prozess und wird durch die Experimentbedingungen beeinflusst. Im vorliegenden Projekt wurden die elektromagnetische (EML) und elektrostatische Levitation (ESL) eingesetzt, um Metallschmelzen reiner Metalle und glasbildender Zr-Basis Legierungen auf ihr Unterkühlungsverhalten zu untersuchen. Auf diese Weise ist die sonst dominierende Kristallkeimbildung an den Tiegelberandungen vollständig ausgeschaltet. Kontaktlose Temperaturmessungen mittels der Pyrometrie gestatten Messungen der Nukleations-Unterkühlung vor der Erstarrung. Im vorliegenden Projekt wurden die Verteilungsfunktionen der Unterkühlungen aus jeweils 100 Erstarrungszyklen für reines Zr, und den glasbildenden Legierungen Zr2Pd und Zr2Ni sowohl unter Nutzung elektromagnetischer als auch elektrostatischer Levitation gemessen. Ein Modell von Skripov wurde genutzt, um aus den gemessenen Verteilungsfunktionen wichtige Parameter zur Beschreibung der Keimbildung wie der Vorfaktor in der Keimbildungsrate und die Aktivierungsenergie zur Bildung kritischer Keime zu bestimmen. Für reines Zr ergaben sich bei beiden Levitationsverfahren große Unterkühlungen. Die Ergebnisse aus den Experimenten mit der elektromagnetischen Levitation weisen aber trotz der hohen Unterkühlungen auf heterogene Keimbildung hin. Dagegen liegen die mittleren Unterkühlungen durch Anwendung der ESL signifikant höher als bei der EML. Die Analyse im Rahmen der Keimbildungstheorie ergibt das wichtige Ergebnis dass bei den ESL Experimenten an reinem Zr erstmals der Grenzfall der homogener Keimbildung erreicht wird. Dies ermöglicht die Abschätzung der Grenzflächenenergie zwischen fester und flüssiger Phase, die sich sonst der experimentellen Bestimmung entzieht. Durch Vergleich mit theoretischen Modellansätzen und Molekulardynamischen Simulationen resultiert das Ergebnis, dass die Simulation der Grenzflächenenergie für einen Keim mit kubisch-raumzentrierter Struktur zu einer Unterschätzung der Grenzfläche führt. Nur das negentropische Modell von Spaepen ist im Einklang mit den experimentellen Ergebnissen. Die Ergebnisse zur Keimbildungsanalyse in unterkühlten Schmelzen der intermetallischen Legierungen Zr2Pd und Zr2Ni sind unterschiedlich. Der Nahordnung in der unterkühlten Schmelze misst man Bedeutung für die Kristallkeimbildung zu. Die Nahordnung für Zr2Ni ist aus früheren Messungen bekannt. Um die Nahordnung in Zr2Pd zu bestimmen, wurden in Kooperation mit Professor Kelton Strukturfaktoren mittels hochintensiver Röntgenstrahlung an der Synchrotron-Quelle Advanced Photon Source in Chicago an elektrostatisch levitierten Proben gemessen. Für Zr2Ni und auch für Zr2Pd weicht die Nahordnung von der ikosaedrischen Symmetrie ab, die man in reinem Zr nachgewiesen hat. Die Verteilungsfunktionen der Nukleationsunterkühlungen gemessen an Zr2Ni im EML und EML zeigen den gleichen Trend wie bei den Zr-Experimenten, die größere Unterkühlung ergibt sich im ESL. Dagegen liefern Experimente an dem Zr2Pd System die größeren Unterkühlungen bei EML im Vergleich zu ESL. In keinem Fall wird aber der Grenzfall der homogenen Keimbildung erreicht. Es gibt Hinweise, dass die starken Rühreffekte bei den EML Experimenten Einfluss auf die Kristallkeimbildung in den Legierungen nimmt. Die bisher unverstandenen Ergebnisse an den Zr-Legierungen deuten darauf hin, dass die Kristallkeimbildung in diesen intermetallischen Phasen durch forcierte Konvektion verursacht durch die elektromagnetischen Wechselfelder beeinflusst wird. Während bei reinem Zr die Anlagerungskinetik beim Keimwachstum durch den Wärmetransport (freiwerdende Kristallisationswärme) begrenzt ist, ist die Anlagerungskinetik zum Aufbau eines Kristallkeims mit Übergitterstruktur der intermetallischen Phase eher diffusionsbegrenzt. Da die Massendiffusion um mehrere Größenordnungen langsamer verläuft als die Wärmediffusion, wird verständlich dass hier die forcierte Konvektion bei den EML Experimenten von Bedeutung ist. Die Untersuchung der Konvektion und deren Einfluss auf die Keimbildung stöchiometrischer Phasen und Phasen mit komplexer Einheitszelle sind eine interessante Themenstellung für zukünftige vergleichende Untersuchungen der Keimbildung in elektrostatischer (geringe Konvektion) und elektromagnetischer (starke forcierte Konvektion) Levitationsexperimente. Eine direkte Anwendung der Ergebnisse z.B. in der Gießereitechnik ist kurzfristig nicht gegeben. Langfristig ist allerdings vorstellbar, dass man durch konvektive Transportprozesse gezielt die Phasenselektion bei Erstarrungsvorgängen manipulieren oder sogar kontrollieren kann.
Publications
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