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Exploring the bimodal capacity of human language. A sociolinguistic study of language contact in the Hungarian Deaf Community

Subject Area General and Comparative Linguistics, Experimental Linguistics, Typology, Non-European Languages
Term from 2016 to 2020
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 327002625
 
Final Report Year 2020

Final Report Abstract

Im Rahmen des DFG Forschungsstipendiums zwischen 2017 und 2020 hatte mein Projekt den bimodalen-bilingualen Sprachgebrauch der ungarischen Gehörlosengemeinschaft untersucht. Gemäß meiner Hypothese zeigt die ungarische Gebärdensprache (Magyar Jelnyelv, MJNY), dass morphologische Informationen sowohl durch Gebärden wie auch durch Mundbilder simultan produziert werden. Die grammatischen Informationen kommen also aus zwei Sprachen mit unterschiedlicher Modalität: visuell-gestisch und auditivvokal. Die Kernfrage lautete: Welche Strategien lassen sich für die Flexionsmarkierung durch Mundbilder und manuelle Gebärden feststellen? Für die Untersuchung von Gebärden-Mundbild-Interaktionen wählte ich die Flexionskategorien Person, Numerus und Kasus und habe 339 Äußerungen von 6 Informanten unter die Lupe genommen. Ich kam zur Schlussfolgerung, dass es sich hier gar nicht um eine obligatorische, sondern optionale Ausdrucksweise handelt, die in vielen verschiedenen Kombinationen existiert. Darunter waren häufige und im Korpus gleichmäßig verteilte Kombinationen, die für eine systematische Anwendung sprechen. Es waren aber auch viele idiosynkratische Vorkommnisse, also Ausdrucksweisen von individuellem Sprachgebrauch. Diese neuen Ergebnisse zeigten, dass die MJNY von den unterschiedlichen ungarischen Wortformen Gebrauch macht und diese mit manuellen Gebärden synchronisiert. Bilinguale Personen gehen mit diesen sprachlichen Ressourcen kreativ um und nutzen diese je nach soziokulturellem Bedürfnis und sprachlicher Ökonomie. In einer weiteren Studie wurde untersucht, ob verschiedene Mundbildmerkmale dazu führen, dass eine gebärdensprachliche Äußerung als MJNY oder Kontaktvarietät eingestuft wird. Die Ergebnisse bestätigten die Annahme, dass die adäquate MJNY-Kommunikation alleine anhand von Mundbildern nicht beurteilt werden kann. Trotz flexionsmorphologischer Markierung an einem Mundbild werden Äußerungen von Gehörlosen meistens als MJNY eingestuft. Wenn die Informanten eine Sequenz als Kontaktvarietät ansehen, sind die sowohl durch ausgeprägte Flexionssequenzen, wie auch durch manuelle morphosyntaktische Strukturen gekennzeichnet, die von einer typischen MJNY-Grammatik abweichen und viel mehr einem gebärdeten Ungarisch ähnelt. Ein anderer wichtiger Bestandteil des Projekts war die theoretische Auseinandersetzung mit dem bilingual-bimodalen Sprachgebrauch. Die Frage war hier, mit welchen Begriffen und Modellen man die beschriebenen, durchaus exotischen Sprachphänomene erklären kann, und was die Implikationen dieser Daten über die Möglichkeiten der menschlichen Sprache verraten. Ich argumentierte im Sinne von Grosjean’s Ansichten (Grojean 2008) dafür, dass das zweisprachige Sprachverhalten ungarischer Gehörloser ein drittes System ergibt. Dies ist ein soziolinguistisches System, ein bilinguales Sprachrepertoire. Weiterführende Gedanken, die aus dem DFG-Projekt erwachsen sind, bringen mich zu einer generellen Skepsis gegenüber traditionellen Sprachauffassungen. Meine Forschungen zu Mundbildern inspirieren zu einer Meta-Analyse zum Begriff „Sprache“, welche die Vorstellungen von Saussure und Chomsky herausfordert und unterschiedliche moderne Ansätze der Multimodalität zur Synthese bringen kann.

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