Konsequenzen sozialer Stressbelastung für die Immunabwehr: Modelluntersuchungen zum Absetzen von Ferkeln
Final Report Abstract
Psychosoziale Belastungssituationen in der Haltung sind für landwirtschaftliche Nutztiere, die überwiegend in einem temporären Sozialgefüge leben, von besonderer Bedeutung, wurden aber in der wissenschaftlichen Bewertung potentieller Stressoren bisher kaum berücksichtigt. Das Ziel des vorliegenden Forschungsprojektes bestand daher in Untersuchungen zu neuroendokrinen, immunologischen und verhaltensbiologischen Interaktionen nach experimenteller Simulation der psychosozialen Stresskomponente beim Absetzen von Ferkeln sowie in Untersuchungen zur Beeinflussung dieser Regelkreise über sozialkommunikative Prozesse (,social support'). Als ein experimentelles Modell für den psychosozialen Stress wurde eine maternale Deprivation und Isolation versuchsnaiver Ferkel für vier Stunden am 7., 21. oder 35. Lebenstag durchgeführt. Diese Isolation von Mutter und Wurfgeschwistern führte zu erhöhten Stresshormonkonzentrationen, veränderter Expression stress-relevanter Gene im limbischen System und Verhaltensänderungen in standardisierten Testsituationen. Darüber hinaus kam es bei isolierten Tieren zu Umverteilungen peripherer T-Lymphozyten, veränderten Zytokinprofllen und einer Verminderung der Glucocorticoidsensitivität von Immunzellen. Die Effekte waren bei jüngeren Ferkeln meist stärker ausgeprägt und weisen auf eine erhöhte Sensibilität physiologischer und verhaltensbiologischer Regulationssysteme auf psychosozialen Stress hin. In den multidisziplinären Untersuchungen zum ,social support' konnte gezeigt werden, dass die negativen Folgen der maternalen Deprivation und Isolation durch geeignete soziale Unterstützung abgemildert werden können. Es wurde erstmalig bei Nutztieren nachgewiesen, dass der Bekanntheitsgrad der Tiere eine modifizierende Rolle für soziale Interaktionen und neuroendokrine Stressregulationen spielt, da die positiven Effekte der sozialen Unterstützung bei bekanntem Partner deutlicher ausgeprägt waren als bei unbekanntem Sozialpartner. Damit konnte gezeigt werden, dass Schweine interindividuelle Erkennungsmechanismen besitzen, in deren Folge bei positiv besetzter sozialer Bindung zu einem Artgenossen (bekannter Sozialpartner), ein ruhigeres, weniger erregtes Verhalten und eine Reduktion der neuroendokrinen Stressantwort auftritt. Als praktische Konsequenz aus diesen Untersuchungen kann abgeleitet werden, dass Tierhaltungs- bzw. Managementsysteme bevorzugt werden sollten, die Ferkeln eine Sozialisationsphase vor dem Absetzen oder ein gemeinsames Absetzen ermöglichen. Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass die Charakterisierung der komplexen Interaktionen von Verhalten, Neuroendokrinum und Immunsystem grundlegende Erkenntnisse In der Regulation von psychosozialem Stress beim Schwein und der Beeinflussung durch ,social support' geliefert hat. Im Kontext der Verbesserung von Wohlbefinden, Gesundheit und tiergerechter Haltung sollten soziale und altersabhängige psychobiologische Bewältigungskompetenzen der Individuen verstärkt Beachtung in den unterschiedlichen Formen der Haltung von Tieren unter menschlicher Obhut finden.
Publications
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