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Wie die heutige Belastung mittelfristig zum Nutzen führt: Eine integrative Perspektive auf die Folgen von Proaktivität in der Arbeit für das Wohlbefinden

Antragstellerin Professorin Dr. Doris Fay
Fachliche Zuordnung Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 322177665
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Arbeitsplätze des 21. Jahrhunderts verändern sich immer schneller durch rasante Technologieentwicklungen, dynamische Märkte und Kundenwünsche. Für Unternehmen wird es dadurch zunehmend schwierig, Arbeitshandeln durch Anweisungen, Tätigkeitsdarstellungen oder Vorgaben zu steuern. Proaktives Handeln ist in diesem Kontext wichtig. Erwerbstätige handeln proaktiv, wenn sie freiwillig und selbständig änderungs- und zukunftsorientierte Handlungen durchführen, die für das Unternehmen nützlich sind. Dazu gehört sowohl das Ergreifen von Initiative, Einführen von Veränderungen, Unterbreiten von Verbesserungsvorschlägen oder Hinweisen auf Änderungsbedarfe. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass proaktives Handeln hinsichtlich Arbeitsleistung sowohl nützlich für das Individuum als auch für das Unternehmen ist. Konsequenzen für das Individuum, die nicht-leistungsbezogen sind, wurden bislang kaum berücksichtigt. In eigenen Vorarbeiten wiesen die Antragstellerinnen auf die Relevanz des Themas hin. Sie zeigten, das proaktives Handeln zumindest kurzfristig Befindenbeeinträchtigungen nach sich zieht. Verbunden mit der Beobachtung, dass Individuen immer wieder proaktiv sind, warf der Nachweis der Befindensbeeinträchtigung die Frage auf, wodurch diese Verhaltensstabilität entsteht. Proaktives Handeln ist freiwillig, weshalb setzen Individuen dies fort, wenn es ihnen nicht „gut“ tut? Ziel des Projekts war, ein umfassenderes Verständnis zu den Konsequenzen von Proaktivität für das Individuum zu erlangen. In drei Studien verfolgten wir die Frage, ob sich proaktives Handeln mit einer höheren subjektiven Bedeutsamkeit der Arbeit einhergeht. Menschen erleben ihre Arbeit (u.a.) als bedeutsam, wenn sie eine Verbindung zur Zukunft herstellen können. Proaktives Handeln ist zukunftsorientert: man versucht eine Verbesserung der Zukunft herzustellen, in dem z.B. wiederkehrende Probleme gelöst werden. Wir führten in Deutschland und Frankreich zwei Experimente und eine Tagebuchstudie durch. Für die Tagebuchstudie beantworteten unsere Teilnehmer*innen an mehreren Arbeitstagen standardisierte Fragebögen. Die Ergebnisse zeigen, dass Erwerbstätige ihre Arbeit umso bedeutsamer erleben, je proaktiver sie handeln. Dieser Effekt ist an Arbeitsplätzen, an denen es schwierig ist, zukünftige Entwicklungen vorherzusagen, besonders stark: dort zogen die Erwerbstätigen einen besonders starken Nutzen aus ihrer Proaktivität. In den folgenden Studien beschäftigten wir uns mit dem Erleben von Authentizität als Folge von Proaktivität. Wenn Menschen Vorschläge äußern, um auf Probleme hinzuweisen oder auf eine Verbesserung hinzuwirken, ist dies auch ein Ausdruck ihres Selbst. Wir nahmen an, dass Personen in freiwillig geäußerten Vorschlägen auch ihre persönlichen Werte ausdrücken. In zwei Tagebuchstudien in Frankreich und Deutschland zeigte sich, dass konstruktive Vorschläge zu äußern dazu beiträgt, sich selbst als authentischer zu erleben. Das Erleben von Authentizität ist wiederum mit weiteren positiven Erlebenszuständen (Erleben von Autonomie, Eingebundenheit) verbunden, was sich letztlich in einer höheren Lebenszufriedenheit am gleichen Arbeitstag niederschlägt. Diese positiven Effekten von Proaktivität können vermutlich erklären, weshalb Individuen trotz der nachgewiesenen Kosten ihre Proaktivität fortsetzen. Im Folgenden vertieften wir die Untersuchung der „Kosten“. Da proaktives Handeln änderungsorientiert ist, verlassen Individuen durch Proaktivität Handlungsroutinen und nehmen kognitiv anspruchsvollere Prozesse auf sich: sie überlegen, wie ein Problem zu lösen ist, müssen planen, Feedback einholen, Fehlschläge oder Widerstände reflektieren, Neues ausprobieren. Auf dieser Grundlage prüften wir, ob diese unterstellten Prozesse kurzfristig zu einer schlechteren kognitiven Leistung führen. In zwei Tagebuchstudien in Frankreich berichteten die Teilnehmer*innen den Grad ihrer am Tag vorgenommenen änderungsorientierten Proaktivität am Arbeitsplatz und führten kognitive Leistungstests durch. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die kognitive Leistung am Ende von Arbeitstagen schlechter war, wenn es sich um besonders proaktive Arbeitstage handelte. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Proaktivität sowohl mit positiven als auch mit negativen Konsequenzen verbunden ist und sie tragen zu einem vollständigeren Bild zu den Folgen von proaktivem Handeln bei. Weitere Projektdatensätze werden ausgewertet. In einem Interview für Zeit Campus Online werden auf Projektergebnisse verwiesen. https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fcampus%2F2022% 2F03%2Fzufriedenheit-job-work-life-balance-sinn

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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