Wie kommen Gemüse und Obst in Supermärkte im Globalen Süden? Der Zusammenhang zwischen der Expansion von Supermarktketten und der Etablierung von Liefersystemen / Intermediären für Frischeprodukte
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In den letzten drei Jahrzehnten haben Supermarktketten aus den Ländern des Globalen Nordens in Länder des Globalen Südens expandiert. Interessant waren dabei insbesondere die Länder, in denen sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung neue Marktpotentiale ergaben. Es gibt aber auch den Trend, dass sich in den Ländern des Globalen Südens inländische Supermarktketten entwickeln, was aber bisher nicht detailliert untersucht wurde. Dieses Forschungsprojekt betrachtete erstens die Analysedimension der räumlichen und zeitlichen Ausbreitungsmuster von Lebensmitteleinzelhandelsketten (inländische Unternehmen und multinationale Unternehmen) in Kenia und Tansania. Das Uppsala-Modell (Beschreibung der schrittweisen Verstärkung von Internationalisierungsbemühungen von Unternehmen) wurde damit um die nationale/regionale Ebene erweitert. Auch auf nationaler Ebene zeigt sich die Bedeutung von Nähedimensionen und Marktpotentialen. Entsprechend entstanden die ersten Supermärkte in den Gebieten höherer Einkommensbezieher, dann erfolgte eine räumliche Expansion in zentrale Lagen und an Ausfallstraßen, später die Ansiedlung in weiter entfernten größeren Zentren und schließlich die Expansion in andere Zentren. Aufgrund von unterschiedlichen, wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen, welche zu Pfadabhängigkeiten führen, sowie kontextspezifischen Faktoren ist die Expansion von Supermärkten in Kenia und Tansania sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während in Kenia bereits eine große Anzahl Supermärkte in vielen Regionen etabliert ist, steht die Entwicklung in Tansania eher am Anfang. Für den Globalen Süden gibt es Studien, in denen die Auswirkungen der Ausbreitung von großen Einzelhandelsketten auf landwirtschaftliche Produzierende analysiert werden. Es erfolgten bisher jedoch wenige Untersuchungen, wie die Liefersysteme zwischen landwirtschaftlichen Produzierenden und den Supermarktketten des Globalen Südens organisiert werden; dies war die zweite Analysedimension des Projektes. Eine entscheidende Rolle spielt die Entwicklung von Intermediären, das sind verschiedene Arten von Zwischenhändler:innen, die das Verbindungsglied von landwirtschaftlicher Produktion und Einzelhandel sind. Insbesondere für Frischeprodukte (Gemüse, Obst) ergeben sich in Kenia und Tansania besondere Herausforderungen hinsichtlich der Lagerung, des Transports und der Verteilung, aber auch neue Möglichkeiten für involvierte Akteure. Supermärkte benötigen eine zuverlässige Lieferung größerer Mengen von frischem Obst und Gemüse in konstanter Qualität. Um dies zu erreichen, werden parallel zur Expansion von Supermärkten verschiedene Arten von Warenketten mit unterschiedlichen Akteuren entwickelt, um bestmöglich auf die kontextspezifischen Herausforderungen zu reagieren und die Ansprüche zu befriedigen. In dem Projekt konnte eine Typologie von fünf sich schrittweise entwickelenden Liefersystemen von Intermediären identifiziert werden. Dabei erfolgte eine Betrachtung der Herausbildung der Warenketten, der eingebundenen Akteure, ihrer Funktionen und des Upgradings. Dies ergänzt die aktuelle Diskussion zu Global Value Chains und Global Production Networks hinsichtlich der Intermediäre und der nationalen Ebene. Im Rahmen des im Projekt durchgeführten selbstorganisierten Stakeholder-Workshops mit sämtlichen Akteuren der Wertschöpfungskette (Einzelhandel, Intermediäre, landwirtschaftliche Produzenten, Forschungseinrichtungen, staatliche Institutionen wie Landwirtschaftsministerien sowie Institutionen der Zivilgesellschaft und Entwicklungszusammenarbeit) zeigte sich die Wichtigkeit der holistischen Herangehensweise; denn nur unter Beteiligung aller Akteure sind nachhaltige Lösungsstrategien möglich. Die Erkenntnisse dieses Forschungsprojektes sind sowohl für die wissenschaftliche Diskussion (z. B. Übertragung des Uppsala-Modells auf die nationale Ebene und Beitrag zur Diskussion der Wertschöpfungsketten, Formen der Organisation der Liefersysteme zwischen landwirtschaftlichen Produzierenden und Supermärkten, Identifikation verschiedener Typen von Intermediären sowie Bewertung ihrer Funktionen) als auch als Ansatz für politische Entscheidungstragende, die entwicklungspolitischen Akteure (z. B. Reduzierung von Nachernteverlusten, Verbesserung von Ernährungssicherheit, Erreichen von SDGs) und Akteure der Praxis von Relevanz.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2020): How do fresh fruit and vegetables get to supermarkets in Kenya and Tanzania? – The interrelation between the expansion of supermarkets and the establishment of delivery systems/intermediaries for fresh products. In: Kulke, E. & C. Sonntag (eds.): „Science meets Business – Logistics and Retail of Fresh Fruit and Vegetables in Kenya and Tanzania“ – Proceedings of the Workshop in Nairobi (October 2018). Arbeitsberichte Geographisches Institut Heft 198. Humboldt-Universität zu Berlin
Sonntag, C.
- (2020): „Science meets Business – Logistics and Retail of Fresh Fruit and Vegetables in Kenya and Tanzania“ – Proceedings of the Workshop in Nairobi (October 2018). Arbeitsberichte Geographisches Institut Heft 198. Humboldt-Universität zu Berlin
Kulke, E. & C. Sonntag (eds.)