Die politische Förderung von "Zukunftsindustrien" und Innovationen in der Bundesrepublik und Großbritannien ca. 1965-1990
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt sollte die staatliche Förderung als besonders innovativ und für die weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung relevant geltender „Zukunftsindustrien“ und allgemein der industriellen Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien von den 1960er bis 1980er Jahren untersuchen. Insbesondere standen die Luft- und Raumfahrtindustrie sowie die Informations- und Kommunikationstechnologien im Fokus. Durch den Vergleich zweier Industrieländer mit ähnlichem Entwicklungsstand sollte deutlich werden, inwiefern politische Versuche der Beeinflussung des ökonomischen Strukturwandels national spezifischen Traditionen und Konzepten folgten bzw. welche Konvergenzen sich im Umgang mit ähnlichen Problemlagen zeigten. Dadurch sollte zugleich ein Beitrag zur Diskussion um den Nutzen des „Varieties of Capitalism“-Ansatzes für die historische Forschung geleistet werden. Neben der Auswertung zeitgenössischer Publikationen und publizierter Daten wurden vor allem eine umfangreiche archivalische Quellenbasis aus den jeweiligen Nationalarchiven herangezogen, um politische Markteinschätzungen und Zukunftserwartungen, Aushandlungsund Entscheidungsprozesse zu rekonstruieren. Die Erarbeitung vergleichbarer Datenreihen stieß dabei an methodische und quellenseitige Grenzen, dennoch ermöglicht die Quellenlage einzelne Trendaussagen und die quantitative Untersetzung von qualitativen Beobachtungen. Im Ergebnis wurde deutlich, dass die britischen Regierungen sowohl bei der Subventionierung des Airbus-Projekts als auch bei der Förderung der Computer- bzw. IT-Industrie deutlich zurückhaltender blieb als die deutschen Ministerien. Der genauere Blick auf die Förderpolitik gegenüber den beiden untersuchten Branchen demonstrierte dennoch parallele Lerneffekte, die sich mit Kontinuitäten über die markanten Regierungswechsel 1979 bzw. 1982 hinweg überlagerten. Die Wahrnehmung der beiden Branchen als förderungswürdige „Zukunftsindustrien“ blieb zwar erhalten, die Ansätze der Förderung wurden jedoch modifiziert. In der Zusammenschau erscheinen die Strukturtypologien des VoC-Ansatzes zwar als nützlich für das Verständnis von Akteurskonstellationen und politischen Grundsatzkonzepte, unterschätzen aber stark die Bedeutung historischer Kontingenzen und gradueller Veränderungen innerhalb der Kapitalismus-Varianten. Die empirischen Ergebnisse des Projekts demonstrieren damit zugleich die Notwendigkeit, die geläufigen, aus der Makroperspektive bzw. der allgemeinen Wirtschaftspolitik abgeleiteten Charakterisierungen nach Branchen zu differenzieren. Dabei zeigt sich, dass die Industriepolitik stark auf Branchenstrukturen reagierte und weniger allgemeinen Programmatiken oder stärker korporatistischen bzw. marktförmigen Institutionen folgte.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Der Interventionsstaat auf dem Rückzug? Industriepolitik im Bundeswirtschaftsministerium von Friderichs bis Bangemann, in: Frank Bösch/Thomas Hertfelder/Gabriele Metzler (Hg.), Grenzen des Neoliberalismus. Der Wandel des Liberalismus im späten 20. Jahrhundert, Stuttgart 2018, S. 213-237
Ahrens, Ralf
- Europäische Kooperation und nationale Interessen: Airbus und die deutsche Industriepolitik, in: ZeitRäume. Potsdamer Almanach des Zentrums für Zeithistorische Forschung 2019, Göttingen 2019, S. 9-19
Ahrens, Ralf
- The importance of being European: Airbus and West German industrial policy from the 1960s to the 1980s, in: Journal of Modern European History 18 (2020), S. 63-78
Ahrens, Ralf
(Siehe online unter https://doi.org/10.1177%2F1611894419894475)