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Moralische Motivation und die Emotionen. Der moralpsychologische Beitrag der passiones animae des Thomas von Aquin zur Vermittlung menschlicher Antriebsstrukturen und praktischer Vernunft
Antragsteller
Professor Dr. Ralf Lutz
Fachliche Zuordnung
Katholische Theologie
Förderung
Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 317825402
Das Projekt verfolgt das Ziel, die Emotionentheorie des Thomas von Aquin, wie sie in seinen Traktaten zu den Leidenschaften der Seele, den passiones animae, zu finden ist, auf ihre Bedeutung für das Verständnis moralischer Motivation auszuwerten. Dabei soll herausgearbeitet werden, ob und vor allem wie für Thomas Emotionen zur Entstehung von Handlungsmotivation beitragen können.Ausgangspunkt bilden dabei Beobachtungen innerhalb der aktuellen Philosophie der Emotionen, wonach für die Frage, wie moralische Motivation zu verstehen sei, d.h. der Frage, wie Überzeugungen von moralisch Gesolltem handlungswirksam werden, die Emotionen eine Schlüsselfunktion einnehmen. Allerdings ist noch vergleichsweise wenig erhellt, wie Emotionen zu motivieren vermögen, worin diese Wirkung letztlich gründet und wie ihr Verhältnis zu den anderen an der Handlungssteuerung beteiligten Kräften des rationalen Handlungssubjekts zu denken ist. Der Rückgriff auf die in Umfang und systematischer Bedeutung nach wie vor unterschätzten Reflexionen des Thomas von Aquin zu den passiones animae eröffnet ein für diese Fragestellung innerhalb der (Theologischen) Ethik bislang weitgehend unbearbeitetes Feld und stellt den Kern des anvisierten Projekts dar. Methodisch gilt es, nicht allein die Struktur und Architektur der Emotionentheorie des Aquinaten im engeren Sinne zu rekonstruieren, sondern insbesondere auch einschlägige moralpsychologische, aber auch metaphysische und theologische Voraussetzungen derselben zu erhellen, etwa mit Blick auf seinen Seelenbegriff und seine Strebenstheorie, oder wenn das eschatologische Endziel menschlichen Daseins (finis ultimus) mitbedacht wird statt allein isolierte Teilziele einzelner Handlungen. Das umfangreiche Quellenmaterial lässt eine exemplarische Vorgehensweise anhand einer der Hauptleidenschaften (timor – Furcht) und einer theologischen Leidenschaft (amor – Liebe) angezeigt sein. Als zentrale Hypothesen sollen gelten, dass mit Thomas Emotionen nicht eo ipso motivieren, sondern zum einen über einen spezifischen Objektbezug, der die Entstehung der jeweils evozierten Emotion verstehbar machen soll und dieser einen ganz bestimmten kognitiven Gehalt zuerkennt, der sie rational zugänglich macht; und zum anderen über eine subtile „Gleichrichtung“ und Finalisierung aller leib-seelischen Strebekräfte des Menschen, d.h. vitaler wie rationaler Anteile, als ganzheitliches Leitbild moralischer Motivation anhand der Liebe als einendem Band. Erste Ergebnisse der bisherigen Bearbeitung deuten an, dass es zudem vielversprechend ist, die passiones innerhalb der thomanischen Handlungsgenese zu verorten und ihr Verhältnis zueinander innerhalb eines Prozessverlaufs zu betrachten.Die Bearbeitung der anvisierten Fragestellung verspricht neben einem substantiellen Ertrag für die Thomas-Forschung auch einen Gewinn sowohl für die eher analytisch orientierten philosophischen Diskurse als auch für ein mögliches Proprium Christianum in Fragen moralischer Motivation.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen