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Buchmessen als Räume kultureller und ökonomischer Verhandlung: Kulturpolitische Strategien internationaler Buchmessen und ihrer Ehrengastländer

Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Theater- und Medienwissenschaften
Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 317687246
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die zwei weltweit größten und wichtigsten internationalen Buchmessen in Frankfurt und Guadalajara (Mexiko) standen – neben weiteren, kleineren Messen in Spanien (Buchmesse von Madrid und LIBER) und Argentinien (Buchmesse von Buenos Aires) – im Zentrum des DFG-Projekts „Buchmessen als Räume kultureller und ökonomischer Verhandlung“. Dabei wurden zunächst die unterschiedlichen Profile, Zielgruppen und kulturpolitischen Strategien der genannten Buchmessen betrachtet: Während die Frankfurter Buchmesse den Fokus nach wie vor stark auf die professionellen Fachbesucher*innen richtet (ohne jedoch die Öffentlichkeit zu vernachlässigen), hat die mexikanische Buchmesse in Guadalajara inzwischen einen weitaus stärkeren Festivalcharakter angenommen. Anders als Frankfurt wird sie jedoch von nichtspanischsprachigen Fachbesucher*innen nur selten besucht. Gegenüber diesen ‚ganzheitlichen‘ großen Messen, die sämtliche Akteure des Verlagswesens und Literaturbetriebs zu versammeln versuchen, spezialisieren sich kleinere Messen stärker auf bestimmte Subgruppen: So z.B. ist die spanische LIBER ein wichtiges Forum für Vertriebsleute und Bibliothekare, während auf der kostenfreien Buchmesse von Madrid das Publikum selbst und die Buchhändler im Zentrum stehen. Allgemein lässt sich sagen, dass die Buchmessen in Abwandlung von Bourdieus Theorie Konsekrationsinstanzen eines neuen Typs darstellen, die das literarische Feld nicht nur reproduzieren, sondern durch ihre Ausrichtung über das literarische Feld hinaus in die Sphären der Politik, der Wirtschaft, des Tourismus und auch der anderen, nichtliterarischen Künste modifizieren. In einem weiteren Schritt wurden die kulturpolitischen Strategien der so genannten ‚Gastländer‘ (in jüngerer Zeit auch ‚Gaststädte‘ oder ‚Gastsprachen‘) vergleichend analysiert, die jedes Jahr zu den Buchmessen eingeladen werden und dadurch hohe Aufmerksamkeit in den Medien erfahren. Für diese Gastlandauftritte stehen in der Regel diverse Förderprogramme und Subventionsmaßnahmen zur Verfügung, die Übersetzungen von Büchern aus den Gastländern ermöglichen und auf diese Weise zur kulturellen Vielfalt auf dem Buchmarkt (‚Bibliodiversität‘) beitragen. Gleichzeitig dürfen diese Gastländer stets einen großen, prominent platzierten Pavillon gestalten, in dem sie dem Messepublikum ihre literarischen und kulturellen Traditionen multimedial näherbringen können. Mittels Umfragen mit Messebesucher*innen auf allen genannten Buchmessen stellte sich allerdings heraus, dass die von den Buchmessen praktizierten Gastlandformate nicht die beliebtesten sind: Auf allen Messen, in allen Besuchergruppen und in allen Ländern wünscht sich das Publikum allgemeinere Querschnittsthemen, die nicht nur einzelne Länder und ihre Kulturen in den Blick nehmen. Trotzdem werden die Gastland-Formate besonders in Frankfurt und Guadalajara gut angenommen: Ein Viertel aller Besucher in Frankfurt – in Guadalajara gar die Hälfte – besucht die Pavillons der Ehrengastländer, und wiederum ein Drittel all derjenigen, die diese Pavillons tatsächlich aufsuchen, kauft in der Regel auch ein Buch eines Autors/einer Autorin aus dem entsprechenden Land. Da im Zuge des Gastland-Formats deshalb immer sehr viele Bücher übersetzt werden, der Anteil der potentiell interessierten Käufer jedoch nicht in demselben Maße steigt, erhöhen sich die Verkaufszahlen pro Titel angesichts dieses Überangebots allerdings selten, sondern stagnieren oft oder verringern sich gar. Des Weiteren wurde die ästhetische Gestaltung der Ehrengastpavillons in Frankfurt seit 1988 sowie auch auf ausgesuchten Messen des spanischsprachigen Raums untersucht. Ging es in den späten 1980er und1990er Jahren noch darum, die literarischen Traditionen und Klassiker großer Kulturnationen wie Italien, Frankreich, Spanien, Portugal oder Mexiko in recht traditionellen, literaturgeschichtlich ausgerichteten Ausstellungen ins rechte Licht zu rücken, so ist in den letzten zehn Jahren in Anlehnung an neuere museumspädagogische Ansätze eine Öffnung hin zu mehr Interaktion mit den Besucher*innen und zu mehr Gegenwartsbezug zu beobachten. Gleichzeitig versuchen die Gastländer auch – mit unterschiedlichem Erfolg –, sich vermehrt weltoffen, transnational, jung und dynamisch zu zeigen. In einigen Fällen läuft das Medium Buch, um das es auf Buchmessen doch eigentlich geht, jedoch Gefahr, in den Hintergrund zu treten und zum bloßen Mittel zum Zweck zu werden, um das politische gewollte Image eines Landes zu promoten oder für Tourismus zu werben. In zwei Radiofeatures des Saarländischen Rundfunks wurde über einige der Projektergebnisse berichtet (vgl. http://sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=17703&pnr=&tbl=pf und https://www.ardaudiothek.de/featurekiste/image-und-imagination-gastlaender-auf-derbuchmesse/81278586).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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