Biosecurity in practice: the prevention of Dengue and its vector species in Europe as a field of biomedical, technological and political intervention
Final Report Abstract
Wie schützen sich europäische Staaten gegen die Einwanderung asiatischer Tigermücken und dem damit einhergehenden Risiko für tropische Fiebererkrankungen? Und wie wird in diesem Zusammenhang mit dem Konzept der Grenze umgegangen, das zwar für die Insekten wirkungslos ist, nicht jedoch für die mit ihnen befassten administrativen, wissenschaftlichen und ökonomischen Akteure? Das Projekt ging dieser Frage am Beispiel der Mückenbekämpfung in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden nach. Mobilisiert wurde ein ethnografischer und multilokal ausgerichteter Ansatz, der die Tätigkeiten von Experten und Expertinnen aus dem Bereich Biologie, Ökologie, Politik und Entomologie sowie die Arbeitszusammenhänge, in denen diese organisiert sind, fokussierte. Die Arbeit basierte dabei auf der These, dass im Rahmen der Bekämpfung der unerwünschten invasiven Insekten neuartige Risiko-Räume in Europa geschaffen werden, die geprägt sind von der Mobilität der Insekten und den mit ihnen assoziierten Krankheitsrisiken. Die Forschungsergebnisse konnten belegen, dass Grenzen im Umgang mit invasiven Spezies von zentraler Bedeutung sind – dass es sich dabei jedoch nicht primär um nationalstaatliche Grenzen handelt, die die Handlungsmöglichkeiten im Moskitomanagement (das aktuell primär aus Maßnahmen des Monitoring und der Kartierung besteht) begrenzen oder erschließen. Als problematisch für die Experten in der Bekämpfung von Moskitos stellte sich vielmehr die Differenzierung zwischen privatem und öffentlichem Raum dar, die zwar für die Moskitos irrelevant war, jedoch den Einsatz von Moskitokontrollmaßnahmen in allen vier Forschungssettings behinderte. Befinden sich Brutstätten auf Privatbesitz (etwa einem Kleingarten oder einem Betriebsgelände), können dort vorhandene Wasserquellen ohne Mitwirkung der Eigentümer beispielsweise nicht behandelt werden. Somit gewinnt die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in der Moskitokontrolle immer stärker an Bedeutung. Dies zeichnete sich auch im deutschen Setting ab, wo für die Kartierung der Insektenpopulationen das Projekt des Mückenatlas zum Einsatz kommt. Als Maßnahmen der Citizen Science sind Laien aufgefordert, verdächtige Insekten an den Trägerverein zu senden, der Art und Fundstelle in ein Kartierungsprojekt überträgt. Moskitokontrollmaßnahmen wandern somit aus dem Verantwortungs- und Aufgabengebiet der Public Health in das eigenverantwortliche Gesundheitshandeln der Bürger ein. Zudem zeigte sich in der Forschung, dass gerade die Abwesenheit von tropischen Fiebererkrankungen, die im Rahmen der Vektorkompetenz von Tigermücken liegt, Schwierigkeiten in der Kontrolle der Insekten mit sich bringt. So sind im deutschen Setting die behördlichen Zuständigkeiten noch nicht abschließend ausgehandelt. In Abwesenheit von Krankheitsfällen sind die Gesundheitsbehörden nicht zuständig. Da keine einheimischen Arten verdrängt werden, fallen Tigermücken auch nicht in den Handlungsbereich des Umweltbundesamtes. Sie bringen jedoch keine gesundheitliche Wirkung auf Nutztiere mit sich, womit auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nicht zuständig ist. Auch auf EU-Ebene erschweren unterschiedliche behördliche Zuständigkeiten sowie die jeweilig nationale Einbettung der Maßnahmen die EU-weite Harmonisierung von Moskitokontrollen. Die Grenzen, die hier von den invasiven Insekten unterwandert werden, sind somit weniger nationalstaatlicher, als vielmehr administrativer Natur. Im Vergleich zu anderen Maßnahmen der Infektionskontrolle kommen im Moskitomanagement (zumindest auf die europäische Situation bezogen) weniger Barrieremaßnahmen zum Einsatz. Die beispielsweise im Umgang mit Krankheiten wie Influenza beobachtbare Einteilung von Oberflächen in Kategorien von „sauber“ und „kontaminiert“ ist im Umgang mit Moskitos nahezu bedeutungslos, da sich hier die Umwelt selbst als problematisch darstellt. So findet ein stetiger Zufluss neuer Insekten aus den benachbarten Ländern statt. Die urbanen und suburbanen Gegenden, in denen die Moskitos sich ansiedeln, bieten diesen nicht nur eine Quelle von Nahrung, sondern auch zahlreiche Nischen und Brutmöglichkeiten. Ein sich veränderndes Klima begünstigt die Überwinterung der Insekten. Administrative Zuständigkeiten sind noch nicht endgültig gefestigt. All diese Faktoren sind eng miteinander verstrickt und machen die Moskitokontrolle in Europa zu einem hochkomplexen – und potenziell unabgeschlossenen – Präventionsprojekt, dessen äußeren Begrenzungen und innere Struktur dynamisch ist und einem stetigen Wandel unterliegt.