Die Rhetorik (in) der Phänomenologie. Zum Rede- und Sprachverständnis bei Edmund Husserl und im Frühwerk Martin Heideggers
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die in der neuzeitlichen Philosophie kaum hinterfragten komplementären Vorurteile von der Allgültigkeit der Logik und der Illegitimität der Rhetorik in wissenschaftlichen Belangen, auch in der Philosophie, wurden durch die beiden vorherrschenden Richtungen der akademischen Philosophie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Neukantianismus und Phänomenologie, vertieft und verfestigt. Beiden gemeinsam ist ein Antipsychologismus, dem die für die Rhetorik so charakteristische Verbindung von Psychologie und Logik als kardinale Verfehlung wissenschaftlicher Methodik gilt. Heideggers frühe Arbeiten lassen sich als Beiträge zur Logikdiskussion vom Standpunkt neukantianischer und phänomenologischer Psychologismuskritik lesen, den sie ungefragt übernahmen. Das bedeutendste Werk des Antipsychologismus, Husserls Logische Untersuchungen, war in diesem Zusammenhang für den frühen Heidegger von überragender Bedeutung. Die Logik, so Husserls Ausgangspunkt, befindet sich in einem unbefriedigenden Zustand und bedarf der Klärung; schuld daran ist die mangelnde Eindeutigkeit sprachlicher Ausdrücke; Klärung der Logik bedeutet also zunächst Klärung der sprachlichen Ausdrücke und Beseitigung der verhängnisvollen Äquivokationen, die sich unbemerkt einschleichen und den Sinn verkehren. Dieses traditionelle Logik- und Sprachverständnis, dem die Phänomenologie verhaftet bleibt, stellt Heidegger infrage – so das Ergebnis des Forschungsprojekts –, indem er hinter die Disjunktion von logischer und rhetorischer Rede und damit hinter den Ausschluss der Rhetorik zurückzugehen versucht. Die sich von Husserl distanzierende Beschäftigung erweist sich für die Gewinnung der Gegenpositionen in Sein und Zeit als entscheidend, und nur aus dieser Auseinandersetzung lassen sich die verschiedenen Positionen adäquat begreifen. Das gilt vor allem für das Thema der Rede und Logik.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Zwischen Husserl und Heidegger. Der Weg zu einer Beschreibung des Menschen, in: Martina Philippi u.a. (Hg.): Blumenberg posthumous, Freiburg i.B./München, Alber 2018
Nicola Zambon
- Die Rhetorik (in) der Phänomenologie. Zum Rede- und Sprachverständnis Edmund Husserls und Martin Heideggers.
Scientia Poetica, Band 23. 2019, Heft 1, S. 319-339.
Nicola Zambon
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/scipo-2019-026) - La phénoménologie et ses langages. Quelques remarques sur la rhétorique
chez Husserl et une critique adressée à Heidegger In: Jean-Claude Monod; Nicola Zambon (Hg.): Langages de la phénoménologie. Expression, description et rhétorique, de Husserl a Blumenberg. Paris: Éditions Hermann 2022, S. 11-40.
Nicola Zambon
- Langages de la phénoménologie - Expression, description et rhétorique, de Husserl à Blumenberg. 2022, 166 S., ISBN 9791037020000.
Jean-Claude Monod, Nicola Zambon (Hrsg.)
- Persuasione ed evidenza. Sul rapporto tra fenomenologia e retorica in Husserl, Heidegger e Blumenberg (= Umweg, hg. V. Federica Buongiorno und Libera Pisano, Bd. 17). Rom: Inschibboleth 2024.
Nicola Zambon
- Was sich zeigt und was wir eigentlich meinen. Noch eine Kritik an der Sprache Heideggers, ausgehend von Sein und Zeit. In: "Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft", 69-2 (2024), S. 21-35.
Nicola Zambon