Die Mero Ikojts und der Wind. Indigene Perspektiven auf erneuerbare Energie in Mexiko
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Erneuerbare Energien werden weltweit ausgebaut und dürften in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Diese Prozesse involvieren vermehrt indigene Gemeinschaften, deren Lebensweisen und Weltanschauungen dadurch oftmals herausgefordert werden. Das Forschungsprojekt ist in diesem Spannungsfeld situiert und untersucht die Sichtweise der am Isthmus von Tehuantepec in Mexiko lebenden Ikojts auf Windenergie. Statt Windenergie als eine nachhaltige Form der Energieerzeugung zu betrachten, sehen die Ikojts Windenergie als kontaminierend und deshalb als Bedrohung für ihre Lagune. Diese Deutung ist in ihrem kulturspezifischen Naturverhältnis begründet, in dem der Wind als Akteur prominent hervortritt und erneuerbare Energie lediglich ein Aspekt der indigenen Verfasstheit von Wind darstellt. Die Studie rückt diese Sichtweise in den Mittelpunkt und zeigt damit die Relationalität von erneuerbaren Energien zu Entitäten und Praktiken auf, in einem spezifischen Gefüge verortet sind. Im Prozess des Erneuerbare-Energie-Werdens von Wind am Isthmus von Tehuantepec wird ersichtlich, dass die Phänomene und Substanzen, aus denen erneuerbare Energien generiert werden, in unterschiedliche ontologische Zusammenhänge eingebettet sind. So unterscheidet sich die Wesenheit von Wind als Naturphänomen auf seinem Weg zur Transformation in erneuerbare Energie aus Infrastrukturen und Gesetzen, Gebieten, Praktiken und Beziehungen, von seiner Verfasstheit im Gefüge des Fischfangs bei den Ikojts, in dem der Wind als norte wirkmächtig zum Gelingen der Fänge beiträgt bzw. diese erst ermöglicht. Daran anknüpfend zeigt das Verhältnis von Windpark-Infrastrukturen und indigenen Umweltbeziehungen, dass für die Ikojts Entitäten in ihrer Umwelt, wie etwa die Lagune, einen ontologischen Status besitzen, der aus ihrer Sicht mit Windenergie unvereinbar ist. Dies steht mit der Lebensweise der Ikojts in Zusammenhang, die an das in der Lagune befindliche Gefüge aus Mangroven, dem Wind, Strömungen, ihrer eigenen Geschichte und an Fischfang-Praktiken gebunden ist. Dieses Gefüge gerät aus Sicht der Ikojts in Gefahr: es droht durch die mit dem Windpark einhergehende Infrastrukturierung von Natur verändert und schließlich zerstört zu werden. Die durch Windenergie induzierte Veränderung wird so aus Sicht der Ikojts zur Kontamination und verweist auf die gänzlich andere Verfasstheit von Wind. Schließlich werden die politischen Aushandlungsprozesse über erneuerbare Energie zum Anlass genommen, die Heterogenität der Ikojts ethnographisch aufzuschlüsseln und die Machtbeziehungen innerhalb der Gruppe zu analysieren. Im Zuge dessen zeigt sich die Pluralität der Perspektiven auf Windenergie, die als umkämpftes Feld Aufschluss darüber geben, wessen Stimmen überhaupt gehört werden und welche Akteure an den Aushandlungsprozessen um Windenergie beteiligt werden. Dies legt offen, dass indigene Konzeptionalisierungen von Natur zwar einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der konfliktiven Prozesse um Windenergie in der untersuchten Region nehmen, diese jedoch in sich weder homogen noch stimmig sein müssen. Durch das Windparkprojekt wurden die bestehenden Machtdifferenzen vielmehr verstärkt. Auch indigene Gruppen müssen um die Hervorbringung einer gemeinsamen Welt ringen, wobei derzeit keineswegs Konsens darüber herrscht, ob und auf welche Weise erneuerbare Energien zukünftig in ihre Lebenswelt integriert werden können.