Schulische Leistungsbeurteilung als sozial-kognitiver Prozess: Können kognitive Heuristiken Urteilsfehler erklären und Verarbeitungsziele ihr Auftreten moderieren?
Final Report Abstract
Das Projekt ging der Frage nach, welche Verzerrungen und Fehler auftreten, wenn Lehrpersonen Leistungen von Schülerinnen und Schülern beurteilen. Zur Analyse der Verzerrungen wurden theoretische Ansätze der Forschung zur sozialen Kognition angewendet. lnsbesondere wurden Verzerrungen durch die Repräsentativitätsheuristik (aktivierte Stereotype), durch Ankereffekte (vorausgegangene Informationen) und Sequenzeffekte (Reihenfolge beurteilter Fälle) untersucht. Es wurden folgende Rahmenfragestellungen untersucht: (1) Inwieweit werden bei der Leistungsbeurteilung diese Heuristiken verwendet? (2) Inwieweit ist die Verwendung dieser Heuristiken vom Verarbeitungsziel und der Expertise der urteilenden Person moderiert? Dabei unterscheiden wir zwei Verarbeitungsziele: Bei der Eindrucksbildung bilden sich die Lehrerinnen und Lehrer einen ersten Überblick über das Lern- und Leistungsvermögen eines Schülers. Beim Verarbeitungsziel der Vorhersage werden sie gebeten, für einen Schüler eine Schullaufbahnempfehlung abzugeben. Im Rahmen des Projekts wurden drei Vorstudien und sechs Experimente durchgeführt, die die Verwendung von Heuristiken bei der Leistungsbeurteilung in Abhängigkeit vom Verarbeitungsziel untersuchten. In allen Experimenten verwendeten wir Schülerfälle, die in den Voruntersuchungen entwickelt und erprobt wurden. Diese Fälle enthielten eine Beschreibung der Schüler („Kurzporträt") sowie eine schriftliche Arbeit in den Fächern Deutsch und Mathematik. Insgesamt konnten die durchgeführten Arbeiten den Erkenntnisstand zur Leistungsbeurteilung deutlich erweitern. Es zeigte sich insbesondere, dass erfahrene Lehrpersonen dann wenig für Heuristiken und Fehler anfällig sind, wenn sie mit der weitreichenden Entscheidung konfrontiert sind, eine Schullaufbahnempfehlung für eine Schülerin/einen Schüler abzugeben. Demgegenüber greifen die Heuristiken bei Lehrerinnen mit viel Erfahrung, wenn sie lediglich dazu aufgefordert werden, sich einen ersten Eindruck zu bilden. Mit diesen Ergebnissen können einerseits die Theorien zu Heuristiken weiterentwickelt werden. Andererseits haben sie praktische Implikationen, insbesondere für die Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen im Bereich der diagnostischen Kompetenz.
Publications
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(2009). Urteilsverzerrungen in der schulischen Leistungsbeurteilung: Eine experimentelle Studie zu Ankereffekten. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 23(3-4), 187-195
Dünnebier, K., Gräsel, C. & Krolak-Schwerdt, S.
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(2009). Verarbeitung von schülerbezogener Information als zielgeleiteter Prozess: Der Lehrer als „flexibler Denker". Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 23 (3-4), 175-186
Krolak-Schwerdt, S., Böhmer, M., & Gräsel. C.
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(2010). Expertise und diagnostische Urteilsbildung: Ein sozial-kognitiver Ansatz. Dissertation, Hamburg, Kovac Verlag
Boehmer, M.
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(2011). Die Bedeutung von Zielen und Expertise der Lehrkräfte bei der Beurteilung von Schülerieistungen. University of Luxembourg, University of Luxembourg Library, ISBN 978-2-87971-047-1
Krolak-Schwerdt, S., Böhmer, M. & Gräsel, C.