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Computerisierung als Herausforderung der Gewerkschaftsbewegung: das Beispiel der Druckindustrie

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 290706649
 
In diesem Projekt sollen technologische, soziale und kulturelle Umwälzungen in der Druckindustrie der 1970er und 1980er Jahre zum Ausgangspunkt einer Untersuchung der Entstehung und Entwicklung der Krise der Gewerkschaften genommen werden. Die Druckbranche eignet sich besonders für eine solche Studie, da sie von einer hochqualifizierten und in hohem Maße gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft geprägt war, weshalb die IG Druck und Papier eine besonders starke Position innehatte. Der Untersuchungszeitraum reicht von den 1950er Jahren, als die Branche den Wandel vom noch stark handwerklich geprägten Druckgewerbe zur Druckindustrie durchlief, bis in die Mitte der 1980er Jahre. Der Schwerpunkt der Studie liegt in den von der Einführung der Computertechnologie geprägten 1970er und frühen 1980er Jahre; einen vorläufigen Abschluss des Prozesses der Computerisierung markierte die Etablierung des Desktop Publishings ab 1985. Im Zentrum des Projektes steht die Frage, welche Rolle der technologische Wandel für die Krise der Gewerkschaften spielte. Die Automatisierung der Arbeit, die sich in der Druckindustrie v.a. in der Form der Computerisierung zeigte, stellte eine Herausforderung für die Gewerkschaften in verschiedener Hinsicht dar: Erstens geriet - im diskursiven Bereich - die gewerkschaftliche Überzeugung von der sozialen Gestaltbarkeit technologischen Wandels ins Wanken. Diese traditionelle Fortschrittsgläubigkeit der Arbeiterbewegung wurde im Kontext der forcierten Automatisierung erstmals breiter diskutiert. Zweitens - im Bereich der Technologiepolitik und der gewerkschaftlichen Aktionsformen - wurde die wichtigste Form der gewerkschaftlichen Machtbasis, der Streik, durch die Computerisierung deutlich geschwächt, weil nun eine Auslagerung der Produktion und eine größere Unabhängigkeit von Facharbeitern möglich wurde. Drittens - in der Selbstwahrnehmung der Arbeiter - wurde die über Jahrzehnte vorherrschende Vorstellung, einer "Arbeiteraristokratie" anzugehören, mit den Umgestaltungen obsolet. Das klare Selbstbild vom Facharbeiter, das eine wichtige Ressource für die Gewerkschaften ausmachte, spaltete sich in eine Vielzahl neuer Qualifikationsprofile und Selbstbilder auf. Es wird zu zeigen sein, inwieweit diese drei Bereiche miteinander verknüpft waren und Veränderungsprozesse in einem Bereich Auswirkungen auf einen anderen Bereich zeitigten. Die Akteure dieser Prozesse werden auf drei miteinander im Austausch befindlichen Ebenen untersucht: lokal, national und international. Auf lokaler Ebene werden einzelne Ortsvereine und Betriebsräte in den Blick genommen, auf nationaler Ebene die IG Druck und Papier und der Deutsche Gewerkschaftsbund und auf internationaler Ebene das Berufssekretariat Internationale Grafische Föderation und der Europäische Gewerkschaftsbund. Wesentliches Ziel ist es auch, zu untersuchen, inwieweit die möglicherweise technikinduzierte Gewerkschaftskrise zu einer forcierten Europäisierung der Gewerkschaftsbewegung führte.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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