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Analysis of the documentation and writing the publication/habilitation thesis »The archaic temple of Apollo ('Temple II') at Didyma and the genesis of the monumental Ionic sacral architecture«

Applicant Dr. Uta Dirschedl
Subject Area Classical, Roman, Christian and Islamic Archaeology
Architecture, Building and Construction History, Construction Research, Sustainable Building Technology
Term from 2015 to 2020
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 287526296
 
Final Report Year 2021

Final Report Abstract

Im Rahmen des Publikationsprojekts ist es nach sorgfältigem Auswerten der Dokumentation und eingehender vergleichender Analyse mit den Befunden anderer ionischer Tempel des 6. Jhs. v. Chr., besonders der Dipteroi, gelungen, den Grund- und Aufriss des archaischen Apollontempels in Didyma anhand seiner rund 800 signifikanten Architektur- und Bauplastikfragmente aus Kalkstein/-mergel und Marmor und der archaischen Adytonfundamente im Hof des spätklassisch-hellenistischen Nachfolgers weitgehend zu rekonstruieren und den Bau chronologisch einzuordnen. Anders als bislang angenommen sind die Werkstücke aus Kalkstein und aus Marmor den zwei Bauphasen eines Tempels zuzuweisen und nicht einem ›Porosbau‹ des frühen 6. und einem Marmortempel der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. Der um 570/560 v. Chr. begonnene Apollontempel, der in Bauphase I dem ersten Dipteros in Samos in Tempeltypus, Materialwahl, Säulenformen etc. folgte und Kalksteinsäulen mit Toruskapitellen sowie schlichte Wulstbasen zeigte, erhielt inspiriert durch die ältesten Marmortempel in Ionien, den unteren Tempel in Myus und das ältere Artemision in Ephesos, nach einer Planänderung um 560/550 v. Chr. eine ›Marmorfront‹. Sowohl der Tempel als auch sein Naiskos wurden in Bauphase II mit den innovativsten Säulenformen jener Zeit, den von samischen Säulenbasen abgeleiteten ephesischen Basen sowie Volutenkapitellen nach kykladisch-ionischem Vorbild, ausgestattet. Anhand von wenigstens jeweils drei verschiedenen Gruppen von Säulentrommeln aus Kalkstein und aus Marmor mit unterschiedlicher Säulenstärke und Kannelurenanzahl (32 – 28 – 24 bzw. 40 – 28 – 24) sowie anhand der zwei verschiedenen Typen von Säulenbasen, insbesondere der fünf Gruppen unterschiedlich großer ephesischer Spiren, kann der Grundriss des Didymeion analog zu den ›Schwesterbauten‹ in Samos und Ephesos in den wichtigsten Zügen rekonstruiert werden: Der Tempel war dipteral und hatte an Langseiten, Rückseite und im hinteren Bereich des Pronaos Kalksteinsäulen sowie an der Front eine doppelte Säulenstellung aus Marmor und im Pronaos zwei Marmorsäulen in antis. Auch der Naiskos, ein Antentempelchen aus Kalkstein, erhielt nach Ausweis eines Spira- und Säulentrommelfragments zwei Marmorsäulen. Erstmals gelang es, anhand von zwei vollständig erhaltenen Spiren und zwei columna caelata-Fragmenten einen archaischen ›Zweisäulensaal‹ architektonisch nachzuweisen. Weitere überraschende Ergebnisse brachte die eingehende Untersuchung der Bauplastik und -ornamentik: Die Korenfragmente der marmornen columnae caelatae des Tempels in der Antikensammlung zu Berlin, die anhand von samischen und milesischen Koren als Weihgeschenkträgerinnen rekonstruiert werden können, stammen ursprünglich von zwei Gruppen unterschiedlich großer Mädchenfiguren, fast lebensgroßen sowie um ein Viertel kleineren. Die größere columna gehörte ursprünglich zu den Marmorsäulen des Pronaos, die kleinere zum Zweisäulensaal. Anders als bislang angenommen, fanden nur vier Koren auf einer Relieftrommel Platz und die Figuren standen nicht auf dem Torus, sondern auf dem Rundstab der Apophyge der Säule. Wie am Neufund eines Wagenlenkerfragments (2006) und zwei Trommeln mit Schiffsdarstellungen aus der alten Grabung deutlich wurde, wiesen auch die Kalksteinsäulen bereits Relieftrommeln auf, die anders als die marmornen columnae caelatae nicht am ›Fuß‹ der Säule über der Basis, sondern am ›Hals‹ unter dem Kapitell angebracht waren. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass die großen Kymaplatten mit Eierstab, die beim Bau des Nachfolgers in spätklassisch-hellenistischer Zeit auf der Terrassenmauer wiederverwendet wurden, ursprünglich nicht zum Tempel, sondern wie in Samos zu einem Altar gehörten und eindeutige Zeugnisse für einen großen rechteckigen Brandopferaltar östlich des Tempels sind. Überholt ist damit die Deutung des archaischen Rundbaus als Altar. Die hohe Terrassenmauer mit den als Spolien verwendeten Kymata sollte als ›pars pro toto-Denkmal‹ an den von den Persern beschädigten und vom Nachfolger überbauten wichtigsten Bau des archaischen Heiligtums erinnern. Auch die beiden marmornen Gorgonen-Eckblöcke in den Museen in Istanbul und Berlin gehörten, anders als bisher angenommen, ursprünglich nicht zum Tempel, der wie der Dipteros I in Samos noch Holzgebälke aufwies, sondern zusammen mit marmornen Kymafragmenten zur Bauphase II des Altars. Brandspuren und hitzebedingte Verfärbungen an nur etwa einem Viertel der Bauglieder des Tempels stellen die von Herodot überlieferte sog. Perserzerstörung des Tempels (494/479 v. Chr.) in Frage und sprechen lediglich für einen Brand in einzelnen Bereichen des Tempels, der rekonstruiert werden kann – ebenso wie der Abbruch des archaischen Tempels beim Bau des hellenistischen und das Zerschlagen der Bauglieder und ›Recyceln‹ in den Fundamenten des Nachfolgers. Wichtige Ergebnisse wurden auch zur Entstehung der ionischen Monumentalarchitektur erzielt, besonders zu Einflüssen der monumentalen ägyptischen Monumental- sowie der marmornen kykladischen Sakralbauten auf die Schöpfung der Dipteroi, zum Zusammenspiel und Wettbewerb der insel- und ostionischen Monumental- und Kolossalplastik und -architektur auf Naxos und Samos und zur ›Marmorifizierung‹ in der ionischen Baukunst. Bemerkenswerte, über den Tempel in Didyma hinausführende Beobachtungen betreffen die archaische Werktechnik und die Werkzeuge am Übergang von Kalkstein zu Marmor sowie insbesondere die Kannelierung der ionischen Säulen des 6. Jhs. v. Chr., deren Kannelurenanzahl vor der Kanonisierung noch sehr variabel und bemerkenswerterweise der Stärke der Säulen angepasst war.

Publications

  • Vom ›σκέπαρνον‹ zum Zahneisen. Werkspuren an Kalkstein-, Kalkmergel- und Marmorwerkstücken des archaischen Didymaion, in: D. Kurapkat – U. Wulf-Rheidt (Hrsg.), Werkspuren. Materialverarbeitung und handwerkliches Wissen im antiken Bauwesen, Internationales Kolloquium in Berlin vom 13.–16. Mai 2015, DAI, DiskAB 12 (Regensburg 2017) 63–88
    U. Dirschedl
  • Das archaische Didymeion: Zur Rekonstruktion der Säulen und columnae caelatae, in: H. Frielinghaus – T. G. Schattner (Hrsg.), ad summum templum architecturae – Forschungen zur antiken Architektur im Spannungsfeld der Fragestellungen und Methoden, Festschrift Burkhardt Wesenberg (Möhnesee 2018) 9–34
    U. Dirschedl
  • Didyma, Türkei. Der archaische Apollontempel (›Tempel II‹) in Didyma und die Genese der monumentalen ionischen Sakralarchitektur (Publikationsprojekt). Die Arbeiten der Jahre 2016 und 2017, eDAI-F 2018-1, 109–117
    U. Dirschedl
  • ›Zeitlos schön‹, ›Perserkriege-Denkmal‹ oder pars-pro-toto-Wiederaufbau? Zur Wiederverwendung eines monumentalen archaischen Kymation im spätklassisch-hellenistischen Apollonheiligtum von Didyma, in: K. Piesker – U. Wulf-Rheidt (Hrsg.), Umgebaut. Umbau-, Umnutzungs- und Umwertungsprozesse in der antiken Architektur. Internationales Kolloquium in Berlin vom 21.–24. Februar 2018, DAI, DiskAB 13 (Regensburg 2020) 137–154
    U. Dirschedl
  • The Archaic Apollo Sanctuary of Didyma, the Canachus Apollo, and the So-called Persian Destruction, in: O. Palagia – E. P. Sioumpara (Hrsg.), From Hippias to Kallias. Greek Art in Athens & Beyond, 527–449 BC, Proceedings of the International Conference, held at the Acropolis Museum, May 19–20, 2017 (Athen 2019) 234–248
    U. Dirschedl
 
 

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