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Untersuchungen zur neolithischen Besiedlung in Pietrele und Landschaftsentwicklung an der Unteren Donau

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282592204
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Siedlungshügel „Măgura Gorgana“ liegt etwa 7 km nördlich der Donau, unweit des heutigen Dorfes Pietrele, das dem Fundplatz seinen Namen gibt. Noch im 20. Jh. lag die Siedlung am Rand einer vielfältigen Auenlandschaft, bevor diese in den 1960er Jahren trockengelegt wurde. Unsere Forschungen konnten jedoch zeigen, dass sich im 5. Jt. v. Chr. hier ein großer See befand, der von der heutigen Stadt Giurgiu bis weit in den Osten reichte und durch den die Donau hindurchfloss. Die Siedlung wurde etwa um 4600 v. Chr. gegründet. Eine ältere neolithische Siedlung an gleicher Stelle, die zwischen 5300 und 5000 v. Chr. bestand, war damals vielleicht noch als Wüstung erkennbar. Der Siedlungshügel entstand durch die Errichtung neuer Häuser genau an dem Platz, an dem ein altes Haus baufällig geworden oder abgebrannt war. Über den Resten eines Hauses schichteten die Bewohner der Siedlung jeweils bis zu einem Meter mächtige Schichten aus Sand und Lehm auf, um darauf ein neues Gebäude zu errichten. So entstand über einen Zeitraum von 400 Jahren ein gut 11 m hoher Hügel. Dies war Programm: Die Siedler wollten auf diesem exklusiven Flecken rasch in die Höhe wohnen. So wurden die Überreste der Siedlungen wie in einem Archiv aufbewahrt. Mit seiner durchgängigen Besiedlung wird Măgura Gorgana künftig auch für die überregionale Forschung der wichtigste Referenzpunkt für diesen Zeitraum sein. Die Forschungen in Pietrele haben erstmals gezeigt, dass der Siedlungshügel nur der emporragende Teil eines größeren Dorfes war, das um ihn herum entstand. Nach den Ergebnissen der Ausgrabung bestand die Außensiedlung von Anfang an und bis zum Ende der Besiedlung auf dem Hügel. Das Wohnen auf dem Hügel war einer nur wenige Personen umfassenden Schicht vorbehalten. Die Mehrheit lebte am Fuß des Siedlungshügels. Deutlich erkennbar sind in Pietrele Spezialisierung und Arbeitsteilung. In den Gebäuden der Fläche B kamen Gerätschaften für die Textilherstellung in größerer Zahl zum Vorschein. Zwei der ältesten Webstühle konnten in situ nachgewiesen werden. Dank der guten Konservierungsbedingungen im Hügel haben sich sogar Teile eines Fischernetzes erhalten. Die ununterbrochene Abfolge von acht Häusern in Fläche F lässt hingegen eine Spezialisierung auf Jagd- und Fischfang erkennen, die wohl über mehrere Generationen weitergegeben wurde. Hier lässt sich erstmals eine Familientradition fassen, in der die Kinder das lernten, was ihre Eltern als Beruf ausübten. Keramikgefäße wurden in großem Stil von spezialisierten Töpfern hergestellt. Insbesondere die großen Vorratsgefäße, die Pithoi, wurden von spezialisierten Töpfern hergestellt. Die arbeitsteilig wirtschaftenden Haushalte in Pietrele sind am besten mit einem „redistributiven System“ zu erklären, in dem eine Instanz, z.B. ein Häuptling, die Produktion überwachte, Überschüsse konfiszierte, umverteilte und dafür anfallende Gebühren entnahm. Dieses System war nicht auf Pietrele begrenzt, sondern umfasste vermutlich auch andere Weiler an der Unteren Donau. Es handelt sich um ein sozial differenziertes und hierarchisiertes System, in dem sich die landwirtschaftliche Produktion abspielte, die in hohem Maße durch Fischfang und in den späteren Perioden auch durch die Jagd ergänzt wurde. Viele Produkte in Pietrele wurden über große Distanzen hinweg gehandelt. Hierzu gehört in erster Linie der Rohstoff für die zahlreichen Feuersteinklingen, die als Messer und Sicheln verwendet wurden. Ab etwa 4450 v. Chr. nahm die Verwendung von Metallgeräten im Alltag enorm zu. Einfache Metallpfrieme mit einem knöchernen Griff dienten als erstes Universalgerät. Etwa um 4200 v. Chr. brannte das Dorf nieder und wurde nicht wieder aufgebaut. Auch die anderen Siedlungen an der Unteren Donau sind in dieser Zeit verlassen worden. Hierfür sind viele Ursachen denkbar. Dass die natürlichen Ressourcen am See erschöpft waren, ist eher unwahrscheinlich, aber gewaltsame Konflikte sind nicht auszuschließen. Nach dem Ende der Tellsiedlungen an der Unteren Donau gibt es für den Zeitraum von mehreren hundert Jahren jedenfalls nur noch sehr wenige archäologische Spuren, die Siedlungen in dieser Region belegen. Die Ausgrabungen in Pietrele haben bereits das Bild der Kupferzeit in Südosteuropa erheblich verändert. Die detaillierte Analyse der Entwicklung während der Besiedlung 4600-4200 wird die Beurteilung dieser dynamischen Zeit auf eine solide Grundlage stellen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Neolithic and Copper Age between the Carpathians and the Aegean Sea. Chronologies and Technologies from the 6th to 4th Millennium BC. International Workshop Budapest 2012 (Bonn 2015)
    S. Hansen, P. Raczky, A. Anders, A. Reingruber (eds.)
  • Kupferzeitliche Marmorobjekte aus Măgura Gorgana bei Pietrele an der Unteren Donau. Dacia 90, 2016, 17-29
    S. Hansen
  • Pietrele 1: Beile und Äxte aus Stein. Distinktion und Kommunikation während der Kupferzeit im östlichen Balkangebiet. Archäologie in Eurasien 34 (Bonn 2016)
    F. Klimscha
    (Siehe online unter https://doi.org/10.23858/SA69.2017.019)
  • Rekonstruktion der Landschaftsgenese eines Flussabschnittes der Unteren Donau anhand eines Multi-Proxy-Ansatzes an Seesedimenten im Kontext der neolithischen und kupferzeitlichen Siedlung "Mǎgura Gorgana", Südrumänien (Goethe-Universität Frankfurt 2016)
    D. Nowacki
  • Vom Debris zum Fundament… Neue Erkenntnisse zum Bauen in der Kupferzeit südlich und östlich der Karpaten. In: A. Zanoci/ E. Kaiser/ M. Kashuba/ E. Izbitser/M. Băt (Hrsg.), Mensch, Kultur und Gesellschaft von der Kupferzeit bis zur frühen Eisenzeit im nördlichen Eurasien. Beiträge zu Ehren zum 60. Geburtstag von Eugen Sava (Chişinău 2016) 26-39
    S. Hansen / R. Uhl
  • Feste in Pietrele, einer kupferzeitlichen Siedlung an der Unteren Donau. Das Altertum 62, 2017, 213-238
    S. Hansen
  • Pietrele am ,,Lacul Gorgana‘‘. Bericht über die Ausgrabungen in der neolithischen und kupferzeitlichen Siedlung und die geomorphologischen Untersuchungen in den Sommern 2012–2016. Eurasia Antiqua 20, 2014 (2017) 1-116
    S. Hansen/M. Toderaş/J. Wunderlich/K. Beutler/N. Benecke/A. Dittus/M. Karaucak/M. Müller/D. Nowacki/A. Pint/T. D. Price/K. Ritchie/D. Steiniger/T. Vachta
  • Arbeitsteilung, soziale Ungleichheit und Surplus in der Kupferzeit an der Unteren Donau 4600–4300 v. Chr. In: H. Meller/D. Gronenborn/R. Risch (Hrsg.), Überschuss ohne Staat – Politische Formen in der Vorgeschichte. Surplus without the State – Political Forms in Prehistory. 10 Mitteldeutscher Archäologentag vom 19. bis 21. Oktober 2017 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle Bd. 18 (Halle [Saale] 2018) 221-246
    S. Hansen
  • Pietrele, Rumänien. Reparierte Tongefäße der kupferzeitlichen Siedlung Pietrele (4600– 4300 v. Chr.). e-Forschungsberichte 1, 2018, 84-95

    S. Hansen
  • 'Lake Gorgana' - A palaeolake in the Lower Danube valley revealed using multi-proxy and regionalisation approaches. Quaternary International 511, 2019, 107–123
    D. Nowacki, A. Pint, A. Kadereit, C. Langan, J. Wunderlich
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.quaint.2018.09.021)
  • Offsite studies at Pietrele, Măgura Gorgana: flat settlement formation around a Copper Age tell site in the Lower Danube. In: Bulgarian e-Journal of Archaeology, 7, 2019, 93–117
    S. Brummack /M. Karaucak
  • Pietrele 2: Lithic Industry. Finds from the Upper Occupation Layers (Bonn 2019)
    I. Gatsov/P. Nedelcheva
  • The earliest lead ore processing in Europe. 5th Millennium BC finds from Pietrele on the Lower Danube. PLoSONE14(4), 2019: e0214218
    S. Hansen, I. Montero-Ruiz, S. Rovira, D. Steiniger, M. Toderaş
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0214218)
 
 

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