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Der homo sacer auf der Bühne

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 280847562
 
Dieses Projekt untersucht die Repräsentation einer Tabu-Figur im Theater, die der Philosoph Giorgio Agamben den homo sacer genannt hat (oder das nackte Leben, Agamben 1998). Auf der gegenwärtigen Bühne taucht diese Figur oft als Opfer von Krieg und Konflikt auf, oder als eine Person oder Gruppe von Menschen, die gesetzlich aus der polis, der politischen und sozialen Gemeinschaft der Bürger, denen Bürgerrechte zugestanden werden, ausgeschlossen wurden oder nie dazugehörten. Weitere gegenwärtige Beispiele der Figur des homo sacer sind Flüchtlinge, illegale Einwanderer, ungesetzliche Kombattanten, Travellers, Heimat- und Staatenlose. Agamben argumentiert, dass die westliche Gesellschaft auf diesem Tabu beruhend gegründet worden ist: auf einem Ritual, durch das die Grenzen der polis markiert werden durch jene, die eingeschlossen und jene, die ausgeschlossen werden (1998: 7). Dieses Projekt wird ermitteln, wie der homo sacer in der Theorie und auf der Bühne diskutiert wird und was seine Funktion ist bezüglich der sozialen und politischen Strukturen, die das Sichtbarwerden dieses sozialen Tabus bewirken. Dieses Projekt wird auch untersuchen, wie die politische Diskussion um den homo sacer als eine Parallele zur Funktion des Sündenbocks gelesen werden kann, der sich vom antiken Ritual her in der Tragödie weiterentwickelt hat. Der Sündenbock ist analog zum homo sacer als ein ebenso heiliges wie ausgestoßenes Leben zu lesen: ohne Bürgerrechte und definiert durch den Ausschluss aus der Gemeinschaft. Um zu einem genauen Verständnis der gegenwärtigen Bühnendarstellung des homo sacers zu gelangen, werden auch Vergleiche zu Darstellung und Diskurs dieser Figur im antiken Theater und Gedankengut gezogen. Diese theoretische Analyse wird die Entwicklung des heutigen gesellschaftlichen Interesses an dieser Tabu-Figur veranschaulichen. Außerdem wird dieses Projekt ergründen, ob das Theater der öffentliche Raum sein könnte, in dem es momentan möglich ist, über das Verhältnis zwischen homo sacer und Gemeinschaft auf ethischer wie auch politischer Ebene nachzudenken. Indem eine Auswahl von Stücken unterschiedlicher kultureller und linguistischer Herkunft verglichen wird, wird es möglich sein, Darstellungsmuster des homo sacers im westlichen Raum aufzuzeigen. So können Rückschlüsse gezogen werden über die Parallelen zwischen dem westlichen Raum und der antiken polis in Bezug auf analoge Strategien zur Verfestigung von Grenzen, auf Ausschluss beruhende Staatsbürgerschaft und einen Konsens über den Wert jener, die ausgeschlossen sind. Weil sich das Theater mit Vorstellungen von Sichtbarkeit und Darstellung befasst, könnte es die geeignetste Art und Weise sein, die Idee der Begegnung mit dem nackten Leben zu erproben.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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