Understanding NEETS. Individual and institutional determinants of youth inactivity in France, Germany, Japan, the Netherlands, and the UK.
Final Report Abstract
Die Jugendarbeitslosenquote (JAL) gilt als Qualitätsmaß im Vergleich von Jugendarbeitsmärkten. Sie setzt die arbeitslosen Jugendlichen (meist definiert als 16- bis 25-Jährige) ins Verhältnis zu den Jugendlichen, die im ökonomischen Sinne „aktiv“ sind, also all jenen, die entweder einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder vergeblich Arbeit suchen. Nicht berücksichtigt werden hingegen alle Jugendlichen, die sich noch im (beruflichen oder schulischen) Bildungssystem befinden – ein Phänomen, das in Deutschland stark zu Buche schlägt – oder „inaktiv“ sind, also z.B. Familienarbeit leisten, längere Reisen unternehmen, sich in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik befinden oder keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen. Diese Berechnung führt im internationalen Vergleich zu einer sehr unterschiedlichen Erfassung, wer in die Berechnung der JAL einbezogen ist, da Berufsbildung und Arbeitsmarktinstitutionen sehr stark variieren. Dementsprechend werden in Deutschland weniger Jugendliche berücksichtigt als in anderen Ländern. Seit Beginn der 2000er Jahre wird daher vermehrt (v.a. von der OECD und EuroStat) die sogenannte NEET-Quote zur vergleichenden Beurteilung von Jugendarbeitsmärkten herangezogen. Hier werden diejenigen Jugendlichen, die sich weder in Bildung (und Bildungsmaßnahmen) noch Erwerbstätigkeit befinden [Not in Edudation, Employment and Training], ins Verhältnis setzt zur gesamten Altersgruppe. Sie gibt damit ein umfassenderes Bild von der Arbeitsmarktsituation von Jugendlichen. „NEET“ wird bisher nur auf der Aggregatebene betrachtet, während Individualanalysen kaum vorhanden sind. Das Projekt hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, Voraussetzungen, Verläufe und Folgen von NEET auf individueller Ebene in einem internationalen Konsortium zu untersuchen. Hierzu haben wir für Deutschland die Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) verwendet. Bei der Untersuchung der Fragen, wann, wo und wie häufig NEET nach Verlassen der Schule auftritt, haben wir acht verschiedene Verlaufstypen identifizieren können, von denen vier als problematisch anzusehen sind. Letztere umfassen ungefähr 31% der Schulabgänger*innen und waren geprägt von sehr langen NEET-Phasen oder von sehr häufigen Erwerbsunterbrechungen mit vielen NEET-Phasen. Die langen NEET-Phasen treten in erster Linie bei jungen Müttern auf, während Jugendliche mit Migrationshintergrund eher häufige NEET-Unterbrechungen aufweisen. Im internationalen Vergleich zeigen sich aufgrund der unterschiedlichen Bildungssystemen und Arbeitsmarktstrukturen große Unterschiede in den NEET-Mustern. Für die Frage, welche Folgen unterschiedliche Verlaufstypen auf die spätere Erwerbskarriere haben, haben wir den Einfluss verschiedener NEET-Erfahrungen auf den beruflichen Status und das Einkommen jeweils im Alter von 30 Jahren analysiert. Lange NEET-Phasen verringern sowohl den beruflichen Aufstieg als auch das spätere Einkommen. Aber auch die mehrmalige Unterbrechung durch kurze NEET-Phasen hat negative Folgen für die berufliche Karriere, allerdings weniger für das spätere Einkommen. Eine wichtige Erklärung für Einkommens- und (berufliche) Statusunterschiede zwischen Männern und Frauen ist die lange Erwerbsunterbrechung aufgrund von Mutterschaft. Das berufliche Ausbildungssystem spielt in Deutschland eine wichtige Rolle für das Auftreten von NEET. Zwar finden in den letzten Jahrzehnten weniger direkte Übernahmen durch den Ausbildungsbetrieb statt, allerdings bleibt die Beschäftigungssicherheit aufgrund der erworbenen Qualifikationen und anerkannten Zertifikate weitgehend gewährleistet. Insgesamt zeigen unsere Analysen, dass das deutsche Berufsausbildungssystem sowohl nach Verlassen der Schule als auch nach Ende einer Ausbildung zu einer Verhinderung von NEET führt.
Publications
- (2019): Anachronismus oder Erfolgsmodell. Die duale Berufsausbildung im 21. Jahrhundert. WZBrief Bildung 39/April 2019. Berlin: WZB
Brzinsky-Fay, Christian