Art, Play, Work: The Lifeworlds of Musicians in Modern Times
Final Report Abstract
Das Habilitationsvorhaben „Kunst, Spiel, Arbeit – Musikerleben in der Moderne“ untersucht die Lebens- und Arbeitswelten von Musikerinnen und Musikern in Deutschland und zeichnet deren Wandel zwischen etwa 1850 und 1960 unter dem Leitmotiv der Professionalisierung nach. Verlauf, Ausmaß und Grenzen der Professionalisierung werden mit Blick auf Ausbildung, Arbeitsbedingungen, Geschlechterverhältnisse und musikkulturelle Spezialisierungsprozesse ebenso erörtert wie anhand transnationaler und technologischer Einwirkungen auf die Arbeits- und Lebenswelten von Musikern. Konzipiert als empirisch dichte Längsschnittstudie, zielt das Projekt darauf ab, erstmals eine genreübergreifende Sozial- und Kulturgeschichte des Musikerberufs zu schreiben, die nicht vorab eine bestimmte Musikrichtung privilegiert, sondern die musikkulturelle wie soziale Ausdifferenzierung des Berufsfeldes historisiert. Wichtige Erkenntnisse des noch nicht abgeschlossenen Projekts lassen sich vorläufig in vier Thesen zusammenfassen: Erstens bildete das Militärmusikwesen seit dem Kaiserreich einen bedeutenden Nachwuchspool für das gesamte Musikleben in Deutschland. Ohne dieses riesige Reservoir an flexibel geschulten Musikern, das sich nach zwischenzeitlichem Einbruch in der Weimarer Republik ab 1933 noch einmal schlagartig auffüllte, hätte sich die einzigartige Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland kaum ausformen können. Zweitens bildeten Zivilmusiker eine bislang gänzlich übersehene dritte Kraft, die neben den Höfen und dem musikliebenden Bürgertum in ihrem Streben nach besseren Arbeitsbedingungen und damit letztlich ‚von unten‘ dazu beitrugen, die Subventionierung der Musikkultur durch die öffentliche Hand zu etablieren und zu festigen. Drittens kam diese Praxis überhaupt erst im Laufe der Weimarer Republik zur vollen Geltung, was angesichts der wirtschaftlichen Notlagen, die diese Zeit prägte, umso überraschender ist. Viertens haben sich schließlich speziellere, nach ästhetischen Kriterien verlaufende Berufsbilder erst im Laufe des 20. Jahrhunderts gefestigt. Bis in die NS-Zeit gehörte das Spielen unterschiedlicher Genres bzw. in verschiedenen sozialen Settings relativ selbstverständlich zur Lebenswelt vieler Berufsmusiker dazu. Im populärmusikalischen Bereich setzte eine echte Spezialisierung erst mit dem Aufkommen des Rock’n’Roll ein, was nicht zuletzt daran erkenntlich wird, dass das Gros der Populärmusiker bis dahin eine klassische Ausbildung genossen hatte. Diese vier Thesen verdeutlichen bereits, dass der Fokus auf die Lebenswelt gewöhnlicher Musiker im semantischen Spannungsfeld von Kunst, Spiel und Arbeit frische Einsichten über die Geschichte des deutschen Musiklebens und seiner Sonderstellung verspricht.