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Rooms: Manövrierräume im Staatssozialismus: Zwischen Aneignung und Experiment
Antragstellerin
Professorin Dr. Claudia Kraft
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 277133236
Das Projekt strebt an, die Geschichte des Staatssozialismus nicht durch das Prisma von Repression und Widerstand zu betrachten. Anstatt diese Dichotomie zu reproduzieren, fokussiert es die Handlungsräume und die oft ambivalenten Erfahrungen der historischen Akteure, die sich Situationen sozialer Entfremdung auf eigensinnige Weise anzueignen vermochten. Indem solche Manövrierräume in Polen, der Tschechoslowakei, Rumänien und in der DDR untersucht werden, werden wir die nicht zuletzt ökonomisch, geographisch und historisch bedingten Grenzen der Diktaturen und des Projekts sozialistischer Modernisierung aufzeigen. Daneben wird den unterschiedlichen Anpassungsleistungen der Gesellschaften nachgespürt. Dabei geht es zum einen um die Betrachtung von sozialen Praktiken, die sich etwa in den polnischen Bergregionen, in Städten wie Gdynia oder Zlín oder in den tschechisch-polnisch-deutschen Grenzregionen aufgrund spezifischer lokaler Bedingungen erhalten haben und die auch nach 1989 fortwirkten. Zum anderen fokussieren wir solche politischen Entscheidungen, die in anscheinend paradoxer Weise der offiziellen Ideologie zuwiderliefen (zum Bsp. die Einführung marktorientierter Staatsbetriebe). Schließlich betrachten wir soziale Aneignungsprozesse in Institutionen, die über eine gewisse Autonomie verfügten bzw. denen gegenüber der Staat eine indifferente Haltung an den Tag legte, seien es die Esperantisten, die Amateurfunker oder die Kleingärtner, deren soziale Aktivitäten zum Teil quasi im Windschatten politischer Entscheidungen stattfinden konnten. Das internationale Forschungsteam wird in enger Zusammenarbeit neue Einsichten in die Sozial- und Kulturgeschichte des Staatssozialismus liefern, indem es diese unterschiedlichen Manövrierräume untersucht, wohlwissend dass es verfehlt wäre, idealisierend von herrschaftsfreien Räumen zu sprechen. Damit wird das Projekt zur methodologischen Reflexion über die Historisierung des Staatssozialismus beitragen. Indem es das Konzept des Eigensinns für unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche und historische Kontexte diskutiert und in die Historiographien der beteiligten Länder transferiert, bricht es nationale Engführungen auf und entwickelt neue methodologische Zugänge zur Geschichte des Staatssozialismus. Gerade weil das Projekt Manövrierräume langfristige Entwicklungen in den Blick nimmt, ist die Kooperation mit dem stärker auf Brüche und Zäsuren fokussierten Projekt Post Bellum vielversprechend, um zu einem umfassenden Neuverständnis der Geschichte des östlichen Mitteleuropas im 20. Jahrhundert zu kommen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Polen
Mitverantwortlich
Professor Dr. Jerzy Kochanowski