Differenzieller Einfluss von Ablenkung auf die verbale und visuelle Gedächtnisleistung bei psychiatrischen Patienten
Final Report Abstract
Mit dem Forschungsprojekt "Differenzieller Einfluss von Ablenkung auf die verbale und visuelle Gedächtnisleistung bei psychiatrischen Patienten" haben wir ein neuropsychologisches Paradigma entwickelt und erprobt, in welchem Lernmaterial zusammen mit emotional neutralen und emotional negativen Distraktoren dargeboten wird. Insbesondere die verbale Version des Paradigmas eignet sich auch für die klinisch neuropsychologische Diagnostik und stellt das erste Testverfahren dar, das die Messung von Aufmerksamkeitsfunktionen über den Vergleich einer kognitiven Aufgabe (Gedächtnis) mit und ohne Distraktoren erlaubt. Durch die Berücksichtigung emotional relevanter Stimuli dürfte zusätzlich eine hohe ökologische Validität des Verfahrens erreicht werden. Die Ergebnisse bei gesunden Probanden zeigen, dass sich die Distraktoren insbesondere im ersten Lerndurchgang mit einer hohen Beteiligung von Arbeitsgedächtnisprozessen negativ auf die Lernleistung auswirken. Wie erwartet zeigen Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) und depressive Patienten einen im Vergleich zu gesunden Personen überproportionalen Leistungsrückgang bei Darbietung emotional negativer Distraktoren. Damit werden Annahmen eines Aufmerksamkeitsbias zugunsten negativer Reize bei Depression bestätigt und bei BPS weiter begründet. Erstaunlicherweise fanden wir in einer vergleichenden Analyse von BPS Patienten und depressiven Patienten weder in neuropsychologischen Leistungen noch hinsichtlich psychopathologischer Auffälligkeiten Gruppenunterschiede. Die Studie wirft somit die wichtige Frage auf, inwieweit beide Störungen tatsächlich distinkte, klar voneinander unterscheidbare Erkrankungstypen darstellen. Wir hatten angenommen, dass die Lernleistung bei Darbietung emotional negativer Distraktoren die Angabe von neuropsychologischen Defiziten im Alltag vorhersagt. Zwar fanden wir bei depressiven Patienten ein deutlich erhöhtes Klagen über solche Alltagsdefizite bei vergleichsweise unauffälligen neuropsychologischen Testleistungen. Jedoch korrelierten diese Angaben nicht mit der Lernleistung unter Ablenkung. Eine mögliche Erklärung zielt darauf ab, dass wir keine persönlich relevanten Stimuli eingesetzt haben mit denen vermutlich deutlichere Ablenkungseffekte erzielt worden wären. Der Bedeutung der persönlichen Relevanz von Reizen für Ablenkung gingen wir im Rahmen eines weiterentwickelten emotionalen Stroop-Paradigmas nach. Dabei konnten wir bei BPS Patienten tatsächlich nachweisen, dass die Leistung insbesondere von persönlich relevanten Stimuli beeinträchtigt wird. In einer ersten fMRT-Studie zum Thema fanden wir bei BPS Patienten eine Minderaktivierung des anterioren cingulären Cortex, des orbitofrontalen Cortex und des Hippocampus, wenn persönlich relevante negative Stimuli ignoriert werden sollen. Möglicherweise deutet dieser Befund auf herabgesetzte Kapazitäten der Emotionsregulation hin.
Publications
- (2006). Assessing learning with and without interference: A new verbal memory paradigm in clinical and experimental neuropsychology. Zeitschrift für Neuropsychologie, 17, 219-223
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