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Drei Reiseberichte von Frauen aus der späten Kadscharenzeit. Historischer Kontext - narrative Strategien - weiblich Autorenschaft

Fachliche Zuordnung Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Förderung Förderung von 2014 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262268230
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Gegenstand des vorliegenden Projektes war eine umfassende historisch-kritische, kontextuelle und narratologische Untersuchung von drei unlängst edierten Wallfahrtsbeschreibungen qajarischer Frauen vom Ende des 19. Jahrhunderts. Der erste Bericht (1882) stammt von Mihrmâh Ḫânum ʿIsmat as-Salṭana, einer Cousine des langjährigen Regenten Nâṣir ad-Dîn Šâh (reg. 1848-96), der ihren Ḥaǧǧ über die schiitischen Schreine im Irak (ʿatabât) beschreibt. Der zweite Text (1892/3) wurde von Ḥaǧǧiya Ḫanum ʿAlaviyya Kirmânî, einer Dame der Kermaner Oberschicht verfasst. Ihre Pilgerreise führte von Bandar Abbas im Süden Irans über das indische Bombay nach Mekka. Der letzte (1899/1900) der drei Quellen wurde von Sakīna Sulṭān Vaqār ad-Daula - einer der Frauen Nâṣr ad-Dīn Šâhs - geschrieben, die wie die erstgenannte Reisende über die Schreine im Irak und dann über das Mittelmeer nach Arabien reiste. Über die drei Verfasserinnen und ihr direktes Umfeld ist zu diesem Zeitpunkt wenig bekannt. Den Berichten zufolge fuhren die drei Frauen wie üblich innerhalb von Pilgergruppen, die sich an bestimmten Reisestationen Karawanen anschlossen, und in Begleitung von ihnen nahestehenden Personen wie Freunden oder Familienangehörigen, jedoch ohne ihre Ehemänner. Als Projektergebnis kann festgehalten werden: (1) Die Reiseberichte sprechen für die hohe Mobilität von Frauen der oberen kadscharischen Schichten und dokumentieren ihre breit angelegten Netzwerke, auf die sie während ihrer Reisen zurückgreifen konnten. (2) Die Art und Weise des Reisens selbst sowie der Grad der Agitationsmöglichkeiten und Beweglichkeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren sowohl von dem Geschlecht der Reisenden abhängig wie auch von dem sozialen Status der Reisenden, der sich teilweise nur in Nuancen unterscheidet. Dieser soziale Status - u.a. die familiäre Zugehörigkeit, das Alter, politischer und sozialer Einfluss - bestimmten vielerlei Aspekte des Reisens: das Reisebudget und somit die Art des Reisens und der Unterkünfte, die Art der Interaktion mit den Mitreisenden, der Einbezug in Entscheidungen während der Reise oder das Ausmaß der physischen Mobilität und die Nutzung von Räumen innerhalb und außerhalb der Reisegruppe. Die Frage nach dem sozialen Status lässt sich auch auf den Aspekt der Autorenschaft beziehen und drückt sich vor allem in der Rechtfertigung für das Verfassen des Berichts und in der Selbstdarstellung der Autorinnen aus. (3) Die Konzepte "privat" und "öffentlich" und die damit verbundene Geschlechtertrennung waren nicht ausschließlich vom Geschlecht abhängig, sondern richteten sich auch signifikant nach der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen oder einer Verortung im Zentrum bzw. in der Peripherie. (4) In den Berichten lässt sich eine weibliche Erzählhaltung ausmachen. Im Abgleich mit den von Männern verfassten Texten kommen erkennbar unterschiedliche narrative Strategien zur Anwendung.

 
 

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