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Vertikale und laterale Aspekte der chinesischen Dialektgeschichte

Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Asienbezogene Wissenschaften
Bioinformatik und Theoretische Biologie
Förderung Förderung von 2014 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 261553824
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Zuge des Forschungsprojektes „Vertikale und laterale Aspekte der chinesischen Dialektgeschichte” sollte untersucht werden, wie sich die chinesischen Dialekte seit ihrer Entstehung in ihre heutige Form entwickelt haben. Dabei sollten Lösungsansätze für das klassische Problem der chinesischen Sprachwissenschaft, Dialektgruppen lediglich statisch zu definieren, aber Beziehungen unter diesen Dialektgruppen zu ignorieren, mit Hilfe von Netzwerkansätzen, die vertikale und laterale Ansätze der Sprachklassifikation vereinen, entwickelt werden. Die Netzwerkansätze, die sich derzeit in der Evolutionsbiologie großer Beliebtheit erfreuen, sollten ferner als mögliche Alternative zu derzeit vorherrschenden Baummodellen in der quantitativ orientierten historischen Sprachwissenschaft etabliert werden. Um diese Untersuchung zu ermöglichen, wurden neue Methoden zur automatischen Analyse und Schnittstellen zur manuellen Korrektur maschineller Fehler entwickelt. Diese wurden an Dialektdaten, die für das Projekt eigens digitalisiert wurden, getestet. Basierend auf der quantitativen und qualitativen Analyse dieser Daten konnten erste neue Erkenntnisse, nicht nur über die Entwicklung der chinesischen Dialekte, sondern auch über die Verlässlichkeit von Sprachklassifikationsmethoden gewonnen werden. Hier zeigte sich insbesondere, dass die derzeit gängigen und beliebten automatischen Methoden zur Ermittlung sprachlicher Phylogenien, die sprachliche Entwicklung meist als baumartige Verzweigung darstellen, nicht annähernd der Komplexität der aktuellen Prozesse gerecht werden, und daher auch oft falsche oder zumindest fragwürdige Ergebnisse produzieren. Lösungsansätze für dieses Problem konnten im Projekt entwickelt werden, liegen derzeit aber lediglich als Prototypen in sehr vereinfachten algorithmischen Frameworks for. Es ist zu hoffen, dass sie in Zukunft weiterentwickelt werden können, um die Ansätze zum automatischen Sprachvergleich und die klassischen Methoden der historischen Linguistik näher zusammenzuführen. Durch den interdisziplinären Austausch zwischen Biologen und Linguisten, der dadurch gefördert wurde, dass ich in zwei Labors, einem biologischen und einem sinologischen, arbeiten konnte, gelang es uns ferner, erste Ideen über neue fruchtbare Analogien zwischen evolutionären Prozessen in Biologie und Linguistik zu entwickeln, welche in Zukunft nicht nur methodologischen Transfer anregen könnten, sondern eventuell zu gemeinsamen Forschungsprojekten führen könnten. Als prägnantestes Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Ähnlichkeit zwischen der Bildung neuer Proteine durch die Komposition von Proteindomänen in der Biologie und der Bildung neuer Wörter durch die Komposition bestehender Wörter in der Linguistik zu nennen. Da die genaueren Mechanismen dieser kompositionellen Prozesse in beiden Bereichen wenig erforscht sind, könnte eine interdisziplinäre Herangehensweise womöglich wichtige neue Erkenntnisse liefern. Die Ergebnisse des Projektes wurden in vielfältiger Form veröffentlicht, wobei insbesondere auch Wert auf die Verwendung interaktiver Schnittstellen gelegt wurde, um es interessierten Forschern zu erleichtern, die Ergebnisse von Analysen oder die Daten selbst transparent und bequem zu inspizieren. Als überraschend stellte sich heraus, dass die klassischen Netzwerkmethoden auch sehr gut für die automatische Analyse von Reimstrukturen geeignet sind. Da wir die Aussprache des Altchinesischen vor allem durch die Reime in alten Gedichten erschließen, erlaubte dieses vor Projektbeginn noch nicht in Betracht gezogene Anwendungsfeld von Netzwerkmethoden, erste quantitative Ansätze zu entwickeln, mit denen bestehende Rekonstruktionen der altchinesischen Phonologie verglichen und evaluiert werden können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015): Improved computational models of sound change shed light on the history of the Tukanoan languages. Journal of Language Relationship 13.3. 177-204
    Chacon, T. and J.-M. List
  • (2015): Network perspectives on Chinese dialect history. Bulletin of Chinese Linguistics 8. 42-67
    List, J.-M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1163/2405478X-00801002)
  • (2016): Beyond cognacy: Historical relations between words and their implication for phylogenetic reconstruction. Journal of Language Evolution 1.2. 119-136
    List, J.-M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/jole/lzw006)
  • (2016): Unity and disunity in evolutionary sciences: process-based analogies open common research avenues for biology and linguistics. Biology Direct 11.39. 1-17
    List, J.-M., J. Pathmanathan, P. Lopez, and E. Bapteste
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s13062-016-0145-2)
  • Using network models to analyze Old Chinese rhyme data. Bulletin of Chinese Linguistics. 2016, 9(2), 218-241
    List, Johann-Mattis
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1163/2405478X-00902004)
  • (2017): The potential of automatic word comparison for historical linguistics. Plos One 12.1. 1-18
    List, J.-M., S. Greenhill, and R. Gray
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0170046)
  • Vowel purity and rhyme evidence in Old Chinese reconstruction. Lingua Sinica. 3 (5). pp. 1-17
    List, Johann-Mattis; Pathmanathan, Jananan Sylvestre; Hill, Nathan W.; Bapteste, Eric; Lopez, Philippe
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1186/s40655-017-0021-8)
 
 

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