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Eloquent animals: narrative conceptualisations of human-animal relations in 14th to 16th century germanophone Animal Literature

Subject Area German Medieval Studies (Medieval German Literature)
Term from 2014 to 2019
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 259169715
 
Final Report Year 2020

Final Report Abstract

Tiere in Fabel und Tierepik spiegeln menschliche Eigenschaften, doch hat sich im Blick auf die Kultur- und Faszinationsgeschichte einzelner Spezies sowie auf die historischen Prozesse ihrer Auslegung seit der Antike gezeigt, dass ihnen häufig auch reflexive Qualitäten in Bezug auf ihr eigenes Projektionspotential zugeschrieben werden: Der Wolf, stets als Eindringling in die menschliche Sphäre imaginiert, ist als Beobachter des Menschen prädestiniert, der Fuchs wird bereits in der Antike als listklug dargestellt und in der mittelalterlichen Tierepik zunehmend in der Lage gezeigt, sein Umwelt zu manipulieren. Am traditionell als scheu und unzähmbar geltenden Einhorn lassen sich spezifische Begehrensstrukturen ermitteln, die sich insbesondere für die höfische Kultur des Mittelalters als prägend erweisen und von erstaunlich langer Dauer sind. Hier finden sich Hybridisierungen mit dem Hirsch, der als Christussymbol und Objekt adligen Jagdbegehrens in vergleichbarer Weise Übertragungen zwischen religiösen und weltlichen Semantiken evoziert. Diese unterschiedlichen Reflexionsmöglichkeiten ‚beredter‘ Tiere (die nicht notwendigerweise eloquent sein müssen), hängen mit den bereits in der äsopischen Fabel entwickelten Auslegungsverfahren zusammen, mittels derer Tieren bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden, die fixierte ‚Sinnbündelungen‘ bilden, zugleich aber vielfältig auslegbar sind. Solche Tier-Topoi oder Theriotopoi sind anhaltend produktiv, denn sie sind zum einen Speicher für kulturelles Tierwissen und können zum anderen in der Ausdeutung oder narrativen Entfaltung selbst wiederum Bedeutung generieren. In komplexen Sinnschichtungen organisieren Theriotopoi auch interspezifische Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten, Raumanordnungen und Erzählverfahren. Das Projekt einer literarischen Epistemologie der mittelalterlichen Tiererzählung ermöglicht somit einen neuen Blick auf Texte, in denen Menschen und Tiere auf verschiedenen Ebenen interagieren, miteinander kommunizieren, übereinander sprechen und voneinander erzählen. In den mittelalterlichen Tierepen werden solche Theriotopiken in Figuren realisiert, die zum einen tierliche Eigenschaften besitzen, zum anderen namentlich benannt sind und eine bestimmte Typik besitzen wie der listige Fuchs Reinhart/Reynke oder der gefräßige Wolf Isengrim. Sie bewegen sich in epischen Handlungszusammenhängen, sind aber zugleich in der Deutungstradition der Tierfabel im Hinblick auf allgemeine Lehren und menschliche Verhaltensweisen hin auslegbar. Charakteristisch insbesondere für die frühneuzeitliche Tierepik ist die Ordnung des Erzählten durch die Akkumulation und kunstvolle Verknüpfung traditioneller Fabelsujets, die sich des Potentials beredter Tiere auf unterschiedlichen Ebenen bedienen. Dabei ist deutlich geworden, wie vielfältig Fabeln nicht nur in den Möglichkeiten der Auslegung, sondern insbesondere auch in Bezug auf die Inszenierung ‚beredter‘ und erzählender Tiere einsetzbar sind. Diese sind in der Lage, alltagsweltliche Problemstellungen zu veranschaulichen, wie es schon in der äsopischen Fabel begegnet. Diese Funktion wird wiederum in bestimmten Erzählsituationen ausgestellt, wenn die Tiere, indem sie selbst Fabeln (von sich selbst) erzählen, zugleich auch ihren poetologischen Status artikulieren und damit neue Möglichkeiten der Sinnbildung eröffnen. Dabei werden nicht nur menschliche Redepositionen und Deutungsformen artikuliert, sondern es kann eine spezifische Perspektive auf den Menschen eingenommen werden, welche die Tiere zu Ordnungsinstanzen erhebt, wenn sie nun umgekehrt das Verhalten der Menschen evaluieren und zum Gegenstand allgemeiner Handlungssätze machen. In den Fabelsammlungen und Tierepen des späten 15. und 16. Jahrhunderts (Reynke de Vos, Waldis’ Esopus, Fischarts Flöh Hatz, Rollenhagens Froschmeuseler, Fuchs’ Mückenkrieg) hat sich das ‚beredte Tier‘ nicht nur als reflexiv in Bezug auf seine Eigenschaften sowie die damit in Verbindung stehenden Raumkonfigurationen und Auslegungsverfahren erwiesen, sondern auch zunehmend als Medium poetologischer Reflexion. In Zusammenhang damit lässt sich ein immer kompetenterer Umgang mit den erzählerischen Möglichkeiten ‚beredter Tiere‘ beschreiben. Die Frage nach Historizität und Produktivität von Theriotopoi hat sich somit insbesondere für die Analyse von Erzählformen, mittels derer Tiere anderen Tieren von Tieren (und Menschen) erzählen, als weiterführend erwiesen.

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