Weizen und Gerste in Mesopotamien: Terminologie, Anbau und Verwendung nach den keilschriftlichen Quellen und vor dem Hintergrund archäobotanischer und ethnographischer Daten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Studie identifizierte bronzezeitliche sumero-akkadische še-Derivate mit Nebengetreiden und Feldfrüchten: šeʾeštub = arsuppu, šemuš = šeguššu, še-ka sig-ga = arsikku (= duḫnu uppulu) und še-ud-e-de₃ = duḫnu (ḫarpu) wurden mit Varietäten der asiatischen Rispenhirse identifiziert. šezaḫgebar wurde mit der afrikanischen Sorghum-Hirse und šeʾu qayyātu wurde mit der aus Ägypten stammenden Erdmandel identifiziert. Angesichts der sonst einseitig auf das mesopotamische Hauptgetreide Gerste fixierten altorientalischen Forschung zur Agrarökonomie, ist die sich andeutende Artenvielfalt vor allem für Wissenschaftler außerhalb der altorientalistischen Disziplin(en) überraschend. Aktuelle Bohrungen im Irak zur Untersuchung von Phytolithen von M. Altaweel sind u.a. auf der Suche nach Hirse und dürften ebenfalls von den Ergebnissen der Arbeit profitieren. Die Hirsen kamen in einer ersten Phase seit dem 24. Jh. auf dem Seeweg über den Golfhandel nach Babylonien. In einer zweiten Phase kamen spätestens im 15. Jh. weitere Rispenhirsen über den innerasiatischen Korridor nach Obermesopotamien. Der Weg des Wanderwortes qayyātu beschreibt den Weg der Erdmandel von Ägypten nach Syrien-Anatolien, Obermesopotamien und Babylonien. Während der See-/Fernhandel bisher vor allem unter dem Aspekt des Austauschs von Textilen, Luxusgütern, Edelsteinen und Metallen untersucht wurde, betont diese Studie die bisher negierte Rolle des Fern-/Golfhandels für die Ausbreitung von Getreidelandrassen und anderen Nutzpflanzen. Das ist von großer Bedeutung für die (archäo)botanische Forschung zu den Ausbreitungswegen und der Ausbreitungsgeschwindigkeit alter Getreidelandrassen und zu ihrer Anpassungsfähigkeit in einer neuen Umwelt. Diese Studie zeigt den besonderen Nutzen der pflanzenspezifischen Qualitäten des Nebengetreides Rispenhirse. Deren Hitzetoleranz erlaubte ihre Aussaat als Notgetreide nach dem Verlust der Haupternte. Sie scheint besonders geeignet für schlechte Böden und Neubruch gewesen zu sein. Letzteres eröffnet Fragen zu einem in bisherigen einschlägigen Arbeiten zum landwirtschaftlichen Kalender vernachlässigten Aspekt, nämlich nach welchem Modus Neuland gewonnen wurde. Zugleich zeigt die Studie, warum sich die Sommergetreide in einer Umwelt, die bereits sehr früh auf Wintergerstenhydrokulturen spezialisiert war, nie als Hauptgetreide etablieren konnten. Die Studie zu den pflanzen- und verarbeitungsspezifischen Qualitäten von qayyātu betont die Rolle der Pflanze bei der Herstellung einer fermentierten und getrockneten süßlichen Paste als Instant-Würze für Nahrung und süße Biere, zum Eindicken von Soßen, Mus oder Eintöpfen. Die Studie stellt qayyātu neben andere fermentierte und getrocknete Zwischenprodukte und bietet damit Einblicke darauf, wie in Babylonien mittels Fermentierung und Vorbacken Zwischenprodukte der Nahrungsmittelindustrie länger haltbar gemacht wurden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2017): Bioclimatic and Agroecologic Properties of Crop Taxa. A survey of the cuneiform evidence concerning climatic change and the Early/Middle Bronze age transition. In: Felix Höflmayer und Matthew J. Adams (Hg.): The late third millennium of the Ancient Near East. Chronology, C 14 and climate change, Oriental Institute of the University of Chicago, 7-8 March 2014. Chicago: Oriental Institute of the University of Chicago (Oriental Institute Seminars, 11), S. 205–235
Dornauer, Aron Anton
- (2018): Proso, sorghum, tiger nut. Some minor crops in the cuneiform sources. Berlin: PeWe (Berliner Beiträge zum Vorderen Orient)
Dornauer, Aron Anton