Aufmerksamkeitsprozesse in der Verarbeitung sozial relevanter Reize: Moderatoren verzerrter Aufmerksamkeit und Bedeutsamkeit für das Erleben sozialer Angst
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Kognitive Modelle der Sozialen Angststörung (SAD) postulieren, dass eine verzerrte Aufmerksamkeit für sozial bedrohliche Reize zur Entstehung und Aufrechterhaltung der sozialen Angst beitragen. Bisherige empirische Befunde zur Existenz und Ausprägung dieses Attentional Bias fielen jedoch heterogen aus. In Abhängigkeit vom gewählten Untersuchungsdesign konnten verschiedene Formen verzerrter Aufmerksamkeit nachgewiesen werden, die wiederum mit unterschiedlichen Moderatorvariablen, wie dem zeitlichen Verlauf, der Ausprägung der trait- oder state-Angst oder Selbstregulationsfähigkeiten in Verbindung gebracht wurden. Bislang gibt es jedoch keine Studie, die in einem einheitlichen Paradigma versucht, alle möglichen Komponenten des Attentional Bias bei SAD zu untersuchen. Vor diesem Hintergrund wurde ein Studiendesign entwickelt, das darauf zielte, die räumliche und zeitliche Verteilung der Aufmerksamkeit für soziale Reize bei Personen mit SAD zu erfassen. Durch die Kombination aus einem Reaktionszeitparadigma und direkter Blickbewegungserfassung mittels Eyetracking sollte untersucht werden, inwieweit Personen mit SAD eine von gesunden Personen abweichende Aufmerksamkeit für bedrohliche soziale Reize zeigen und inwieweit diese Aufmerksamkeitsverzerrung durch die Ausprägung von state-Angst und Selbstregulationsfähigkeiten moderiert wird. Es wurden N = 71 Personen mit SAD und N = 64 gesunde Kontrollprobanden in die Untersuchung eingeschlossen. In beiden Gruppen erfolgte eine randomisierte Zuweisung zu einer von zwei Studienbedingungen: In der Stress-Bedingung wurde durch die Ankündigung einer Rede state-Angst induziert; in der Non-Stress-Bedingung erfolgte keine Angstinduktion. Teilnehmer beider Bedingungen absolvierten anschließend drei Visual-Search-Aufgaben, bei denen parallel die Blickbewegungen erfasst wurden. Die Resultate zeigten konsistent weder in den Reaktionszeit- noch in den Blickbewegungsdaten Gruppenunterschiede in der Aufmerksamkeit für bedrohliche Reize. Es konnte damit keine selektive Aufmerksamkeit oder Hypervigilanz für Bedrohung bei SAD nachgewiesen werden. Stattdessen zeigten sich Hinweise, dass Personen mit SAD soziale Stimuli tendenziell stärker vermeiden, unabhängig von deren Valenz. Explorative Analysen ergaben Zusammenhänge zwischen der geringeren Ausprägung von Selbstregulationsfähigkeiten und einer stärkeren Aufmerksamkeit für Bedrohungsreize; dies schien jedoch nur für die gesunde Kontrollstichprobe zu gelten. Insgesamt weisen die Befunde darauf hin, dass Verzerrungen der Aufmerksamkeit für externe bedrohliche Reize kein unmittelbarer Bestandteil des Störungsbilds der Sozialen Angststörung sind. Weitere Studien sollten daher neben der Aufmerksamkeit für externe Reize verstärkt dysfunktionale Prozesse der Aufmerksamkeitslenkung auf interne Reize berücksichtigen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2015, Mai). Effekte von state- und trait-Angst auf die Aufmerksamkeit für soziale Reize. 9. Workshop-Kongress für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Dresden, 14.-16. Mai 2015
Helbig-Lang, S., Wermes, R. & Lincoln, T.
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(2014, Mai). Was liegt wirklich im Auge des Betrachters? Vergleich eines Reaktionszeitparadigmas zur Messung selektiver Aufmerksamkeit mit direkter Blickbewegungserfassung. 32. Symposium der Fachgruppe Klinische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Braunschweig, 29.-31.05.2014
Helbig-Lang, S., Franck, S. & Lincoln, T.
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(2016, Mai). Gibt es einen Attentional Bias bei Sozialer Angststörung? Eine kombinierte Untersuchung mittels Reaktionszeit- und Eyetracking-Daten. 34. Symposium der Fachgruppe Klinische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Bielefeld, 05.-07.05.2016
Helbig-Lang, S., Wermes, R. & Lincoln, T.
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(2016, Mai). Wie gut können wir Aufmerksamkeitsverzerrungen messen? Psychometrische Güte von manuellen Reaktionszeit-und Eye-tracking-Parametern. 34. Symposium der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Bielefeld, 05.07.05.2016
Wermes, R., Lincoln, T. M. & Helbig-Lang, S.