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Ladakh: Die Hervorbringung eines kulturellen Erbes Identitätspolitische und pädagogische Einsätze im Kontext der Vermarktungsbedingungen eines zunehmenden Tourismus
Antragsteller
Professor Dr. Alfred Schäfer
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Förderung
Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 256284281
Tourismus gilt nicht nur als Gefährdung, sondern auch als Moment der möglichen In-Wert-Setzung der besuchten Kultur und damit als identitätsstiftend für die Einheimischen selbst. In einem abgeschlossenen DFG-Projekt, in dem neben touristischen auch einheimische Erfahrungsperspektiven erhoben wurden, zeigte sich, dass für die Ladakhi die eigene Identität zwischen Tradition und Gegenwart zu einem Problem geworden ist - und damit auch die Position, von der man sich gegenwärtig noch zur eigenen Identität verhalten kann. Über diese individuelle Ebene hinaus ist in Ladakh ein Prozess in Gang gekommen, in dem verschiedene Organisationen und kulturpolitische Akteure um die Definition dessen ringen, was als kulturelles Erbe zu verstehen ist. Diese versuchen mit unterschiedlichen identitätspolitischen Einsätzen, aber auch mit pädagogischen Aufklärungsbemühungen die Bedeutung ihrer Sicht auf ein verbindliches, aber bedrohtes Erbe zu vermitteln. Solche Einsätze reichen von einer mit politischen Forderungen verbundenen Vergewisserung einer moralisch-buddhistischen Identität über Bewahrungsversuche einer traditionellen dörflichen Lebensweise mit ihren entsprechenden Strukturen bis hin zu konkreten pädagogischen Aufklärungsprojekten, die das jeweilige Eigene in schulischen Programmen oder auch im traditionellen Brauchtum oder Kulturtechniken zu verankern versuchen. Es ergibt sich das Bild durchaus agonaler Herangehensweisen an das, was die Identität der Ladakhi ausmachen soll. Die Logik solcher Einsätze folgt dabei einem modernen pädagogischen Muster: Das Bewahrenswerte muss als nicht mehr selbstverständlich, bedroht und damit kontingent aufgerufen werden. Gleichzeitig müssen die Adressaten dieser Aufklärung als diejenigen angerufen werden, die über das für ihre kulturelle Identität Bedeutsame und Verbindliche entscheiden müssen. An genau dieser pädagogisch adressierten Souveränität brechen sich wiederum die identitätspolitischen Programmatiken, die von Organisationen und kulturpolitischen Akteuren in diesem Feld vertreten werden. Die Analyse der Verschränkung der pädagogischen Aufklärungsfigur mit identitätspolitischen Einsätzen, mit agonalen Konfliktlinien und hegemonialen Strategien, bildet den systematischen Gegenstand dieser Untersuchung. In Frage steht dabei auch, inwieweit die Bedingungen eines eben diese Identität vermarktenden Tourismus über ein kulturelles Erbe zu legitimieren versuchen, in diesem Konfliktfeld eine Bedeutung gewinnen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen