Evolution der Diversität von Phäno- und Genotyp in den Cervidae (Ruminantia, Artiodactyla, Mammalia)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Zusammenstellung des bisher grössten Datensatzes genotypischer und phänotypischer Merkmale der Cerviden (Mammalia, Artiodactyla, Cervidae), inklusive fossiler Arten, erlaubt neue Einblicke in die Phylogenie der Gruppe beginnend mit den ältesten Fossilien aus dem frühen Miozän (ca. 19 Millionen Jahre). Die StammgruppenCerviden sind mit drei Hauptlinien (Lagomerycini, Dicrocerini, Procervulini) diverser, als bisher angenommen. Fossile Arten liefern unter anderem Hinweise auf eine Abspaltung der KronengruppenCerviden vor mindestens 15 Millionen Jahren basierend auf einer möglichen engen Verwandtschaft der lebenden südostasiatischen Muntjaks (Muntiacus und Elaphodus) und Euprox aus dem Mittleren Miozän von Europa. Der systematische Status von Elch (Alces), Reh (Capreolus) und Wasserreh (Hydropotes) bleibt fraglich und könnte ausserhalb der Altwelt und NeuweltCerviden liegen. Dank neuer molekularer Daten konnte der polyphyletische Ursprung der Pudus (Pudu) erstmals sicher belegt werden, und derjenige der Spießhirsche (Mazama + Odocoileus) konnte mit weiteren Arten nachgewiesen werden. Für die beiden Hauptlinien innerhalb der Neuwelthirsche wurden die Taxonnamen Odocoileina und Blastocerina etabliert. Der Holotypus des Borneo Muntjaks (Muntiacus atherodes) entpuppt sich als möglicher nächster Verwandter des Indischen Muntjaks (M. muntjak), womit sich erneut Fragen zum gültigen Artstatus von M. atherodes auftun. Experimentelle Analysen identifizierten die Geweihe mit ihren spezifischen externen Charakteristika als Träger des stärksten phylogenetischen Signals unter den phänotypischen Merkmalen. Die Internstruktur der Geweihe von StammgruppenCerviden und fossilen und lebenden KronengruppenCerviden zeigen gemeinsame Merkmale, die regelmäßigen Abwurf und Regeneration als fundamentale Eigenschaft dieser Organe seit ihrer Entstehung im frühen Miozän belegen. Dagegen änderten sich (auch) die (internen) Wachstumsmuster von stangenlosen, basal verzweigten Geweihen der StammgruppenCerviden zu longitudinal wachsenden, dichotom verzweigten Stangenstrukturen der KronengruppenCerviden. Ein ursprünglich pathologischer Hintergrund für die Entstehung dieser Organe vor deren Integration in das Reproduktionsverhalten der Cerviden ist nicht auszuschließen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Systematic relationships of five newly sequenced cervid species. PeerJ 4:e2307, 2016
Heckeberg N S, Wörheide G Erpenbeck D Rössner G E
(Siehe online unter https://doi.org/10.7717/peerj.2307)