Fragmentierung kohäsiver Reibungsmaterialien mit diskretem Partikelmodell
Final Report Abstract
Bekanntlich tut sich die Finite-Elemente-Methode (FEM) als Diskretisierungsverfahren für kontinuierliche Probleme schwer, wenn es um diskontinuierliche Systeme und Phänomene geht. Diese treten beispielsweise bei granularen Medien und auch bei Festkörpern auf, wenn diese bei Schädigung in einzelne Partikel zerfallen, also fragmentieren. In den letzten 30 Jahren ist für diesen Problemkreis die Diskrete-Elemente-Methode (DEM) entwickelt worden; sie verwendet die methodischen Grundlagen der Molekulardynamik, wenngleich dann als Partikelmechanik auf anderen räumlichen und zeitlichen Skalen. Die weitaus meisten Varianten der DEM modellieren die Partikel mit einfacher analytischer Geometrie als Kreise/Kugeln oder Superellipsen/Superellipsoide. Die realistischere Modellierung als scharfkantige polygonale Partikel oder Polyeder wird relativ wenig eingesetzt, da sie nicht nur geometrisch komplexer sondern auch erheblich aufwendiger in der Kontaktsuche ist. Das vorliegende Projekt befasst sich mit einer 2D-Modellierung durch polygonale Partikel. Bisherige Ergebnisse geben die Fragmentierung heterogener Materialien qualitativ in verblüffender Realitätsnähe wieder; die Quantifizierung ist allerdings häufig unbefriedigend. Auch fehlen entsprechende Validierungsexperimente. Es war deshalb das Ziel des Vorhabens, ein solches DEM-Modell methodisch zu hinterfragen, gegebenenfalls zu modifizieren und durch weitere Komponenten zu ergänzen. Um den Einfluss der variierenden Partikelgeometrie zu minimieren und den Fokus auf die Materialmodellierung am Interface zwischen den Partikeln zu lenken, wurden einfache Konzeptexperimente mit losen oder verklebten regelmäßigen Sechskantmuttern durchgeführt; sie wurden durch DEM-Simulationen begleitet. Die Ergebnisse haben das Verständnis der polygonalen DEM erheblich erweitert. Sie führten zu der Erkenntnis, dass die bestehenden Interaktionsmodelle zu modifizieren sind; dies betraf zunächst die Kontaktkräfte, wobei in Normalenrichtung ein energieerhaltenes und in tangentialer Richtung ein elastoplastisches Modell eingeführt wurden, beide ergänzt durch viskose Dämpfung. Für die beim Experiment auf einem Untergrund liegenden Partikel wurde das Modell um den Haftund Reibungskontakt mit dieser Fläche ergänzt. Eine wesentliche neue Komponente betraf die mechanische Wiedergabe der Kohäsion. Da sich die bestehenden Versionen als entweder mechanisch ungeeignet (zu sprödes hinterlegtes Balkennetz) oder zu aufwendig (integrierendes Interfacemodell) erwiesen haben, wurde ein modifiziertes Balkenmodell mit einem integralen Schädigungsgesetz als Kompromisslösung zwischen Realitätsnähe und Aufwand entwickelt. Es nutzt den Balken für die Darstellung der Kinematik am Interface und ein vereinfachtes Interaktionsgesetz für das entfestigende Materialverhalten an der Kontaktfläche. An vielen Detailstudien, gerade auch bei der Simulation der Konzeptexperimente, haben sich die Vorteile dieser Variante gezeigt. Auch wenn der dynamische Prozess der Fragmentierung von dem DEM Modell im Prinzip wiedergegeben wird, war für hochdynamische Prozesse, wie sie beispielsweise bei Explosionslasten für Betontragwerke auftreten, eine Erweiterung um den Einfluss der Dehnrate erforderlich. Hierzu wurde das integrale Stoffgesetz im schädigenden Balkenmodell um diesen Parameter ergänzt. Das Versagensverhalten von Beton unter plötzlichen Zug- und Druckbeanspruchungen wurde intensiv untersucht, um die Festigkeitszunahme zu charakterisieren. Das Projekt ging der Frage nach, wie geeignet das DEM Modell mit polygonalen Partikeln für die Simulation von Fragmentierungsprozessen ist. Der Einblick in die Methode konnte wesentlich erweitert werden. Allerdings haben sich die methodischen Arbeiten als aufwendiger erwiesen, als zunächst angenommen, so dass die Schwerpunkte mehr auf grundsätzlichen Fragestellungen und weniger auf Berechnungen mit verfeinerter Mikrostruktur gelegt wurden. Die vorgesehenen Untersuchungen an vorgespanntem Glas konnten nur angedacht werden. Einige Modellüberlegungen zur Erweiterung auf 3D-Berechnungen wurden angestellt. Es fehlt nach wie vor an Experimenten mit Ensembles von kohäsiven Partikeln zur Validierung der DEM mit polygonalen Teilchen. Hierzu ist die scharfkantige Geometrie vom Berechnungsmodell abzubilden, wie sie a-priori vorhanden ist oder sie sich bei Fragmentierung potentiell einstellen kann. Andererseits können Simulationen Parametereinflüsse darstellen, die schwierig oder kaum in Experimenten sichtbar gemacht werden. So ist der Einfluss der heterogenen Mikrostruktur nach wie vor ein wichtiger Untersuchungsgegenstand. Hierzu gehört auch die Berücksichtigung des Bruchverhaltens der Partikel selbst. DEM Modelle mit polygonalen Partikeln können die Auswirkung geometrischer Parameter, wie sie auf der Mikro- oder Mesoebene vorliegen, auf das konstitutive Verhalten eines verschmierten makroskopischen Modells aufzeigen. Die Erweiterung der DEM auf die dritte Dimension mit polyederförmigen Partikeln ist ein zentrales Anliegen, wenngleich der Aufwand für Geometrieerstellung und Kontaktsuche erheblich ist. Das aufgezeigte Balkenmodell mit integraler Schädigung ist auch im 3D-Fall geeignet, die Kohäsion abzubilden. Anwendungen bei Fragmentierungsprozessen mit Polygon-/Polyederpartikeln werden sich wohl auch in naher Zukunft auf einfache Systeme beschränken. Ein Beispiel sind die vorgespannten Glaspaneele, die in diesem Projekt angedacht wurden. Sie können dabei aber helfen, die Besonderheiten einer scharfkantigen Geometrie der Teilchen aufzuzeigen. Diese können dann beispielsweise für DEM-Modelle mit Kugeln adaptiert werden, die mittlerweile im großen Stil in Forschung und Praxis eingesetzt werden.
Publications
- Particle models for cohesive frictional materials. In: Meschke, G.; de Borst, R.; Mang, H.; Bićanić, N. (Hrsg.): Computational Modelling of Concrete Structures – Proc. of EURO-C 2006, 27.–30. März 2006, Mayrhofen, Austria. Taylor & Francis, London (2006), S. 269–280
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