Balladenwelten. Untersuchungen zur transmedialen Rezeption der mittelalterlichen Balladen in der skandinavischen Moderne
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt hatte das Ziel, die ästhetische Produktivität der Volksballade in der skandinavischen Kultur der Moderne zu untersuchen und damit Forschungsneuland zu betreten. Während die Balladen selbst intensiv erforscht sind, ist ihre moderne Rezeption und Adaption noch nie in Bezug auf ganz Skandinavien, auf ihren innovativen Charakter und ihre verschiedenen medialen Ausdrucksformen hin analysiert worden. Den entscheidenden Ausgangspunkt unseres Projekts stellte die inhärente Intermedialität des Genres dar: Die Ballade verbindet Wort und Musik, Tanz und Aufführung. Ihre Sprechakte sind dialogisch ausgerichtet und werden von der Erzählinstanz theatral präsentiert. Außerdem birgt sie Elemente von Lyrik, Narration und Drama und bietet insofern viele Ansätze zur kreativen Nutzung und Grenzüberschreitung. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wird das Genre in der Moderne nicht in rückwärtsgewandter, eskapistischer Absicht genutzt, sondern der Vergangenheitsbezug wird funktionalisiert, um modernespezifischen Problematiken ästhetischer, psychologischer, philosophischer oder politischer Natur Ausdruck zu geben. Die Arbeit gliederte sich in drei Phasen: Zunächst stand die Materialerhebung – sowohl der Prätexte als auch der modernen Adaptionen – im Mittelpunkt, die uns mit einer Fülle von Material konfrontierte. In der zweiten Phase ging es um die vielseitige transmediale Rezeption, die bei einer internationalen Tagung eindrucksvoll veranschaulicht wurde: Die Balladen werden literarisch, musikalisch und bildkünstlerisch reflektiert, das Spektrum reicht von der mittelalterlichen Kalkmalerei bis zum Comic, vom Kirchentanz bis zum Musikvideo und von der Vertonung durch Schönberg bis zu Pop und Heavy Metal. Die moderne Rezeption überträgt die dem Genre inhärente Gattungssynthese und Intermedialität in eine Vielfalt medialer Ausdrucksformen, die wiederum in sich inter- oder transmedial sein können. Die ubiquitäre Präsenz der Balladenspuren führte uns dann in der dritten Arbeitsphase zu einer Beschäftigung mit der Funktionalisierung der Gattung in verschiedenen kulturellen und sozialen Zusammenhängen. Der Schwerpunkt erweiterte sich von einem primär ästhetischen Interesse hin zu einer vorrangig sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Fragestellung. Mit ihrer fortdauernden Präsenz nimmt die Ballade einen Platz im kulturellen Gedächtnis ein und trägt damit zur Konstruktion der kulturellen Identität der skandinavischen Länder bei. Zu diesem Thema legten wir einen weiteren Sammelband vor.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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›Rider ud saa vide‹. Balladenspuren in der skandinavischen Kultur, Freiburg i.Br.: Rombach, 2016
Annegret Heitmann und Katarina Yngborn (Hg.)
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Balladenechos. Die skandinavische folkevise im kulturellen Gedächtnis, Freiburg i. Br.: Rombach, 2018 (Rombach-Wissenschaften. Reihe Nordica ; Band 24)
Annegret Heitmann und Philipp Martin (Hg.)