Kasualien als Familienfeste. Zur Konzeptualisierung von familiären Lebensgemeinschaften anlässlich von Passageriten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Kasualien sind Familienfeste. Taufe, Trauung, Konfirmation und Bestattung thematisieren nicht nur biographische Übergänge, die Individuen oder Paare betreffen, sondern sie bearbeiten auch die komplexen Veränderungen im Familiensystem, die von einem Kasus betroffen sind. Familienangehörige und Freunde konstituieren zu einem überwiegenden Teil die versammelte Gemeinde anlässlich von Kasualien und sie prägen den explizit familiären Teil der Festkultur wesentlich mit. Verschiedentlich ist auf die Bedeutung von 'Familie' für Kasualien hingewiesen worden, wenn sozialisationstheoretische, familiengeschichtliche und familienreligiöse Aspekte benannt wurden. Kasualien leisten allerdings immer auch schon einen Beitrag zu der Frage, was Familie vor dem Hintergrund der Pluralisierung der Lebensformen sein kann, wie sie anlässlich der biografischen Übergänge konzeptionell regeneriert oder transformiert und ob oder wie Diskrepanzen zwischen einem normativen Familienkonzept und der faktischen Vielfalt bearbeitet wird. Das Forschungsprojekt Kasualien als Familienfeste als Teil des Paketantrags Kasualien als Konzept und Feld der Praktischen Theologie konnte gezeigt werden, dass (1) familiären Akteuren selbst eine Ritual Agency zukommt, die sie ausüben und die für das praktisch-theologische Verständnis der Kasualien von Bedeutung ist. (2). Während in der Kasualtheorie bislang vor allem das Verhältnis zwischen ‚Gemeinde‘ und ‚Familie‘ konstruiert wurden, spricht vor dem Hintergrund der Pluralisierung der religiösen Lebenswelten vieles dafür, weitere soziale Kreise (Georg Simmel) mit in den Blick zu nehmen. Tatsächlich sind mit der Familie, wenn sie als Akteur in ritualtheoretischer Perspektive wahrgenommen und fokussiert wird, erhebliche Dynamiken verbunden, die für die Kasualtheorie fruchtbar gemacht werden konnten und durch Teilnehmende Beobachtungen, Interviews zum ‚ganzen Tag‘, egozentrierte Netzwerkkarten und Fotoimpulse fundiert werden konnten. Die Ergebnisse ließen sich daher sehr gut in einer doppelten Hinsicht systematisieren. 1. Rituale sind Generatoren von ‚Familie‘ im Kontext der Pluralisierung von familialen Lebensformen. 2. ‚Familien‘ sind Akteure von Ritualen im Kontext der Pluralisierung von Ritualformen. Die Vielfalt der familialen Konstellationen ist in diesem Projekt ebenso anschaulich geworden wie die Vielschichtigkeit der Festgestaltung.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Trauerbegleitung als Verständigung über das Leben. Gemeinsame Perspektiven freier Rituale und kirchlicher Bestattung, in: Ulrike Wagner-Rau/Emilia Handke (Hg.), Provozierte Kasualpraxis. Rituale in Bewegung, Stuttgart 2019, 79–94
Weyel, Birgit
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Keine Trauung für alle: Die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Ehepaare in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, in: Gero Bauer et al. (Hg.), Diskriminierung und Antidiskriminierung (Gesellschaft für Unterschiede Bd. 60), Bielefeld 2021, 183–200
Weyel, Birgit
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Kasualien als Familienfeste. Familienkonstitution durch Ritualpraxis (Praktische Theologie heute), Kohlhammer: Stuttgart 2022
Katharina Krause / Manuel Stetter / Weyel, Birgit (Hg.)
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„Weil es halt einfach so ein Familiending is“. Jugend als Herstellungsleistung eines Übergangsrituals, in: Weyel, Birgit / Katharina Krause / Manuel Stetter (Hg.), Kasualien als Familienfeste. Familienkonstitution durch Ritualpraxis (Praktische Theologie heute), Kohlhammer: Stuttgart 2022
Weyel, Birgit